Von Taiga, Diamanten und Gastfreundschaft

„Couchsurfing in Russland“ ist das zweite Buch von Stephan Orth. Am Donnerstag liest er im Literaturhaus.

Wuppertal. Wenn Stephan Orth auf Reisen geht, findet man ihn nicht am Mittelmeer oder an der deutschen Ostseeküste. Er mag abgelegene Orte, an die sich kaum je ein Tourist verirrt. Idealerweise hat das Land einen schlechten Ruf - so wie Russland. Dort verbrachte der 37 Jahre alte Autor und Reporter mit Wuppertaler Wurzeln jüngst zweieinhalb Monate. Nicht als klassischer Journalist, der mit Politikern und Aktivisten über die Lage im Land spricht. Sondern als Couchsurfer, der ganz normale Menschen in ihrem Zuhause besucht - und so tief in ihren Alltag eintaucht.

„Es gibt kaum ein Land, über das die Informationen widersprüchlicher sind. Vor Ort merkt man, dass vieles anders ist, als die Berichte der „Tagesschau“ erwarten lassen.“ In den wenigen Tagen, die Orth bei jedem seiner Gastgebern verbrachte, eröffneten sie ihm eine Perspektive, die anderen Fremden im Land verwehrt bleibt: eine familiäre, private, freundschaftliche.

„An der Oberfläche ist Russland ein sehr schroffes Land, die Menschen lächeln kaum in der Öffentlichkeit, bei einem Besuch im Lebensmittelshop oder im Restaurant fühlt man sich wie ein Eindringling“ sagt Orth. „Sobald man sie aber kennenlernt und zu Hause erlebt, gehört man schnell zur Familie.“

Seine Erfahrungen in dem gastfreundlichen Land schildert Orth in dem Buch „Couchsurfing in Russland“, dem Nachfolger seines Bestsellers „Couchsurfing im Iran“. Der Leser lernt neben Sankt Petersburg und den Berglandschaften der Altai-Region zum Beispiel die Diamantenstadt Mirny kennen, neben einem gigantischen Bodenkrater gelegen und von den Einheimischen „Arschloch der Welt“ genannt. Er nimmt Teil an Orths Besuch bei einer Weltuntergangs-Sekte in der tiefsten sibirischen Taiga und dem wohl schlechtesten Anbändelungsversuch der Menschheitsgeschichte.

„Die Herzlichkeit der Menschen macht Russland zu einem wunderbaren Reiseziel. Und wir haben viel mehr gemeinsam, als wir oft denken, etwa Träume und Ambitionen“, sagt Orth. Unterschiede und Konflikte entstünden oft durch Manipulation, etwa Propaganda.

Auch das macht er zum Thema: „Zwar sind die Medienberichte westlicher Länder über Russland oft kritisch, manchmal gehen sie dabei zu weit. Seit etwa zwei Jahren habe ich aber das Gefühl, dass sich etwas gedreht hat. Was russische Medien derzeit über den Westen berichten, ist meist noch weniger ein präzises Abbild der Wirklichkeit. Bei aller Verwirrung darüber, inwiefern Russland etwa in Wahlen anderer Länder eingreift: Wer die kremlfinanzierten Propagandakanäle „RT Deutsch“ oder „Sputnik“ betrachtet, erkennt schnell den Versuch, Verwirrung zu stiften und die öffentliche Meinung zu beeinflussen.“

Im kommenden Jahr will sich Orth erneut auf fremde Sofas legen. „Das Ziel steht noch nicht fest, aber ich kann versprechen: Dänemark oder Mallorca werden es nicht.“