Wuppertal Vor 100 Jahren: Vohwinkel erhält endlich das Stadtrecht
Vohwinkel. · Mehr als eine Formalie: Der Schritt stärkte das Selbstbewusstsein der Bürger.
Sie hatten schon immer ihren eigenen Kopf und auch an Selbstbewusstsein mangelte es den Vohwinkelern nie. Das war schon Ende des vorletzten Jahrhunderts so, als sich der Stadtteil in rasantem Tempo von einer verschlafenen Landgemeinde zu einem der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte im Bergischen Land entwickelte. Grund war der stetige Ausbau des Streckennetzes mit dem Stadtteil als Haltepunkt. Die Züge fuhren nach Düsseldorf, Köln, Essen, Solingen, Opladen oder Velbert. Auch die Rheinische Strecke, die an den nördlichen Hängen Wuppertals entlangführte, machte in Vohwinkel Station. Durch den ständig wachsenden Verkehr wurde 1873 ein zweiter Bahnhof am Stationsgarten errichtet. 1908 kam der noch heute genutzte neue Bahnhof hinzu. Über 400 Züge pro Tag passierten zu Kaisers Zeiten den Stadtteil. Das führte zu einer vielfachen Ansiedlung von Firmen, Geschäften und Gastronomiebetrieben. Der Beginn des Jahres 1921 markierte dann eine wichtige verwaltungstechnische Bestätigung dieses Aufschwungs. Vohwinkel erhielt endlich das eigene Stadtrecht.
Elberfeld hatte zuvor die Finger nach dem Nachbarn ausgestreckt
„Das bedeutete einen enormen Schub für das Selbstbewusstsein der Bürger“, sagt Hans-Jürgen Momberger, Experte für Lokalgeschichte. Es habe sich durch die vorausgegangene Kommunalreform zwar mehr um eine Formalie gehandelt. „Geändert hat sich aber schon einiges“, so Momberger. Denn die Gemeinde war zuvor Teil des Kreises Mettmann mit dem Landratsamt an der Gräfrather Straße als Verwaltungssitz. Daher besuchte Kaiser Wilhelm II. bei seiner Einweihung der Schwebebahn im Jahr 1901 auch nicht offiziell Vohwinkel, sondern den Kreis. Das Stadtrecht sorgte 1921 dann für eine weitgehende Selbstständigkeit. Ganz ohne Widerstand verlief die Entwicklung allerdings nicht. Elberfeld streckte zuvor seine Hände nach dem aufstrebenden Nachbarn aus, nachdem es sich bereits den größten Teil Sonnborns einverleibt hatte. „Vohwinkel hatte viele große Flächen, was für die Ansiedlung von Gewerbe interessant war“, erklärt Hans-Jürgen Momberger. „Die Gemeinde war industriell super aufgestellt“, ergänzt Autorin Ursula Hüsgen. Sie verweist zudem auf die zahlreichen Hotels und Gastronomiebetriebe rund um den Schwebebahnendhaltestelle. Auch die Baubranche boomte. „Vohwinkel erlebte einen rapiden Bevölkerungswachstum“, erläutert der ehemalige Leiter des Stadtarchivs, Uwe Eckardt.
In diesen Standortvorteil wollten sich die Bürger nicht hineinreden lassen. „Vohwinkel bleibt Vohwinkel“ steht entsprechend auf einer damaligen Postkarte. Deren Text nimmt die Elberfelder Expansionsbemühungen genüsslich aufs Korn. „Die Elberfelder träumten von einem Elberfeld-West, doch bleibt Vohwinkel bestehen als ein selbstständiges Nest. Der Elberfelder Löwe darop wutschnaubend brüllt, er hätte seinen Hunger an Vohwinkel gerne gestillt“, heißt es hier.
Politik: Die Stadt soll auf das Vohwinkeler Jubiläum hinweisen
Ganz ohne Fremdeinwirkung ging es aber auch nach der Stadtgründung nicht. 1923 kam es zur Ruhrbesetzung der Franzosen, von der auch Vohwinkel stark in Mitleidenschaft gezogen wurde. Die Stadtgrenzen wurden abgeriegelt, Güter und Wohnungen beschlagnahmt. Erst zwei Jahre später rückten die Truppen wieder ab.
Auf die Bedeutung des Jubiläums will die Politik hinweisen. „Der 100. Jahrestag der Verleihung der Stadtrechte an die damalige Landgemeinde Vohwinkel war ein erster Schritt in Richtung der 1929 vollzogenen Bildung der Großstadt Barmen-Elberfeld beziehungsweise Wuppertal“, sagt der Vohwinkeler Bezirksbürgermeister Georg Brodmann. Er schlägt vor, dass von der Verwaltung im Februar eine Beflaggung des Vohwinkeler Rathauses vorgenommen wird und auf der Internetseite der Stadt ein entsprechender Hinweis erscheint.