Analyse Was bringt es, wenn die Gewerbesteuer sinkt?
Analyse Die FDP will, dass die Stadt den Hebesatz reduziert. Die IHK auch. Die Wissenschaft ist skeptisch.
Es ist paradox. Die Senkung von Steuern soll zu Mehreinnahmen bei der Stadt führen. Genauer: Die Senkung des Hebesatzes der Gewerbesteuer. Die FDP fordert eine Reduzierung von 490 auf 440 Punkte. Um die Wirtschaft anzuregen und langfristig städtische Einnahmen zu erhöhen.
Die Gewerbesteuer ist eine wichtige Einnahmequelle für Städte. Kommunen haben generell das Recht den Hebesatz für die Steuer selbst zu bestimmen. Grundlage dafür sind 3,5 Prozent des Gewinns eines Betriebes (nach Abzug eines Freibetrags) – die Kommunen können diesen Betrag dann vervielfachen mit dem Hebesatz. Er liegt in Wuppertal bei 490 Punkten, also fast dem Fünffachen des Ursprungssatzes.
Städte sollen durch den Hebesatz miteinander konkurrieren können
Städte sollen mit der Steuer in die Lage versetzt werden, miteinander zu konkurrieren. Und die Qualität ihrer Infrastruktur darzustellen. Niedriger Hebesatz – geringe Kosten oder hoher Hebesatz – hoher Gegenwert für die Wirtschaft.
Wuppertal geht für 2019 von Gewerbesteuereinnahmen von rund 245 Millionen Euro aus. Wobei die Einnahmen je nach konjunktureller Lage schwanken. Und eben auch nach Anzahl der Firmen.
Gewerbesteuerhebesätze sind ein Standortfaktor. Das sieht man an Monheim. Dort wurde seit 2011 der Hebesatz von 435 auf zuletzt 250 Punkte gesenkt. Mit der Folge, dass 300 Unternehmen sich seitdem angesiedelt haben – darunter Teile von Bayer und Oxea aus Oberhausen ebenso wie Briefkastenfirmen. Monheim hat sich dadurch aus den Schulden befreit.
Leverkusen, für das Monheims Steuerpolitik ein Problem war, will einen ähnlichen Weg gehen. Dort hat der Stadtrat beschlossen mit Monheim gleichzuziehen und den Hebesatz von 475 auf 250 Punkte zu senken. Mit der Folge, dass 30 Städte aus der Umgebung die Steuerpolitik kritisieren und sich bedroht sehen – sie haben auf Initiative von Dormagen die „Zonser Erklärung“ aufgesetzt – ohne Wuppertal.
Für die Wirtschaft ist eine Senkung des Hebesatzes gut, es geht schließlich um Geld. Und so sagt Uwe Mensch, Leiter des Geschäftsbereichs Starthilfe und Unternehmensförderung bei der Bergischen IHK, dass er unabhängig davon, dass der Vorschlag von der FDP komme, die Idee unterstütze. „Gute steuerliche Rahmenbedingungen können die Wirtschaft ankurbeln.“ Gerade für die Industrie, die im Bergischen 34,5 Prozent der Wirtschaft ausmache, wäre das von Vorteil. Besonders dieser Wirtschaftszweig ist stark exportabhängig, der Gewinn also auch durch Faktoren beeinflusst, die nicht in den Kommunen bestimmt werden. In Zeiten einer unsicheren Weltwirtschaft oder einer befürchteten Rezension könnte das die Firmen entlasten.
Das sieht auch Dr. Claudia Neugebauer, Professorin für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre an der Bergischen Universität, so. Eine niedrigere Steuer wäre mit Blick auf Wuppertal gerade für den Mittelstand von Vorteil – ebenso etwa für Einzelhändler.
Niedrige Hebesätze
ziehen Firmen an – in Teilen
Aber sie sieht die Lage differenzierter. Denn vielfach sorge ein stark reduzierter Hebesatz dafür, dass sich Unternehmen nur mit Teilen ansiedelten. Laut Süddeutscher Zeitung hat sich Bayer etwa mit seiner Pflanzenschutzabteilung in Monheim angesiedelt, ebenso wie mit einer Patentabteilung. Das deutet laut Neugebauer eben auf ein Problem hin: Große Firmen könnten einfach einzelne Organisationseinheiten verlagern. Das muss nicht immer ein Produktionsstandort sein, also nicht immer zu neuen Arbeitsplätzen führen. So sitze Krombacher etwa mit einer Vertriebsgesellschaft in Lützen in Sachsen-Anhalt (Hebesatz 325), die Brauerei aber in Kreuztal bei Siegen (Hebesatz 420). Sie habe gerade ein Forschungsprojekt dazu begonnen und dabei viele kleine Kommunen entdeckt, die dank niedriger Hebesätze Teile großer Firmen angezogen hätten.
Kleine und mittlere Unternehmen könnten das nicht. Sie müssen die Steuern dort zahlen, wo sie produzieren. Sie meint deswegen, die Gewerbesteuer müsste generell reformiert werden. Die Steuer sei noch an den Wirtschafts- und Unternehmensstrukturen der 50er Jahre ausgerichtet.
Firmen siedeln sich aber auch ohne die Stellschraube Hebesatz an – wenn die Flächen da sind, die Infrastruktur stimmt, Synergieeffekte genutzt werden können, die Fachkräfte vorhanden sind. In Wuppertal hat sich das etwa beim Mittelstandspark VohRang in Vohwinkel oder dem Engineering Park auf dem Gelände der ehemaligen Generaloberst-Hoepner-Kaserne gezeigt. Auch Mensch von der IHK sieht Flächen als den größeren Anreiz für Ansiedelungen von Arbeitsplätzen.
Neugebauer sagt trotzdem, dass eine Senkung Wuppertal helfen könne – und zwar dem Mittelstand dabei, Arbeitsplätze zu erhalten und vielleicht Gewinne zu erzielen, die man dann reinvestieren könnte. Größere Mehreinnahmen für die Stadt ohne neue Flächen sieht sie aber nicht als zwingend.