Kirche in Wuppertal Achtsamkeit
Achtsamkeit wurde schon in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts wiederentdeckt und entsprechende Kurse und Therapien werden überall angeboten. Kürzlich hörte ich in einer Radiosendung, dass man im Silicon-Valley in Kalifornien besonders begeistert ist und die großen Firmen ihren Mitarbeitern Meditationskurse während der Arbeitszeit eingeräumt haben.
Hirnforscher haben bei freiwilligen Probanden festgestellt, dass sich die Hirnareale, die für Glücksgefühle zuständig sind, durch Achtsamkeitstraining vergrößert haben. Einer äußerte sogar, auf diesem Wege würden die Menschen eine nie dagewesene Bewusstseinsgröße erreichen können. Na ja, Buddhisten werden darüber milde lächeln, haben sie doch schon um 500 v.d.Zt. angefangen, solche Meditationen zu entwickeln, mit dem Ziel, das Leiden in der Welt zu überwinden.
Dagegen haben sich jüdische Denker seit Mosche als Lehrer des Volkes im Auftrag Gottes verstanden, um diese Welt zu entwickeln und hier ein erfülltes Leben führen zu können.
Vom 8. bis 10. Juni haben die Christen Pfingsten, die „Gabe des Heiligen Geistes“ und die Juden „die Gabe der Weisungen“ gefeiert. Nach der Überlieferung wurden die Gebote oder Weisungen zum Leben im „Niemandsland“ des Sinai allen Völkern angeboten. Doch nur die Israeliten, Männer, Frauen und Kinder sagten: „Wir wollen tun und hören“ und nahmen sie damit an. Sie sind uns bis heute in den fünf Büchern Mose der Hebräischen Bibel überliefert. Der Text ist sehr knapp gefasst und bedurfte von Anfang an weiterer Erklärungen. So geht auch die mündliche Überlieferung auf Mosche und seine Nachfolger zurück. Daraus erwuchsen mal mehr mal weniger lebhaft geführte Diskussionen, die alle Rechtsfragen des Lebens betreffen. Nach der Zerstörung des ersten Tempels und der Verbannung der Eliten nach Babylon, waren es die Gelehrten, die dem Volk mit diesen Richtlinien wieder eine tragfähige Struktur gaben. Nach der Zerstörung des zweiten Tempels und der Auslöschung des Königreiches Juda um 130 u.Zt. sahen sich die Gelehrten gezwungen, auch die mündliche Überlieferung schriftlich niederzulegen, damit sie nicht verloren ging. So entstand bis zum 6. Jahrhundert u. Zt. der „Talmud“. Zwischen all den juristischen Diskussionen gab es immer auch erklärende Erzählungen und Lebensweisheiten. Diese Lebensweisheiten sind in einem gesonderten Abschnitt in fünf Traktaten unter dem Titel „Pirkei Avot/ Sprüche der Väter“ aufgeschrieben worden. Sie werden seit Jahrhunderten regelmäßig gelesen und gelernt. Wer sie verinnerlichte, konnte trotz vieler äußerer Schwierigkeiten meistens ein glückliches Leben führen. Um dies festzustellen, brauchte man keinen Gehirnscan. Man erkannte es im Umgang mit diesen Menschen. Hier ein paar Beispiele aus diesen uralten Lebensregeln.
P.A. 1/6 Erwirb dir einen Freund und beurteile jeden Menschen nach der besten Seite.
1/12 Gehöre zu den Schülern Aharons, den Frieden liebend und nach Frieden strebend.
1/15 Empfange jeden Menschen mit einem freundlichen Gesicht.
1/18 Auf drei Dingen steht die Welt: Wahrheit, Gerechtigkeit und Frieden.
2/05 Verurteile deinen Nächsten nicht, bis du in seiner Lage gewesen bist/ in seinen Schuhen gestanden hast.
2/15 Es sei dir die Ehre deines Nächsten so teuer wie deine eigene, sei langsam zum Zorn und tue Buße einen Tag vor deinem Tod… also überdenke dein Tun täglich.
3/01 Wisse woher du kommst, von einem stinkenden Tropfen und wohin du gehst, an einen Ort von Staub, Moder und Gewürm und vor wem du Rechenschaft abzulegen hast, vor dem Heiligen, gepriesen sei er.
4/01 Der ist weise, der von jedem Menschen lernt.
Wie gesagt, dies ist nur eine kleine Auswahl, die hoffentlich verdeutlicht, dass unsere Lehrer zu allen Zeiten darauf bedacht waren, uns Achtsamkeit zu lehren für uns selbst, die Menschen, die uns nahe sind, aber auch den Fremden gegenüber. Diese Achtsamkeit galt und gilt ebenso den Tieren und der ganzen Natur. Leider sind es immer zu wenige Menschen, die verstehen, wie gut eine solche Lebensweise für sie ist. Immerhin ist einigen Menschen der rüde Umgang miteinander und in den Medien inzwischen bewusst geworden und sie rufen zu mehr Achtsamkeit auf. Es gibt viele Möglichkeiten, sie zu erlernen, auf religiösen und auf säkularen Wegen. Hoffen wir für uns alle, dass sie begangen werden.