Wuppertaler Stadtgeschichte Weimarer Republik: Attentäter aus Elberfeld

Anschlag 1922 auf den Kasseler OB ging mit Glück glimpflich aus.

Foto: Vonde

Wuppertal. In der Nachfolge des deutschen Kaiserreiches ist es der Weimarer Republik, der „Demokratie ohne Demokraten“, in der kurzen Phase ihres Bestehens ab 1918/19 nicht gelungen, eine funktionierende parlamentarische Demokratie zu entwickeln.

Ihre häufig militanten Gegner stammten insbesondere aus den verschiedenen Lagern der völkisch antisemitischen und „alldeutschen“ Bewegung, der Freikorps und Geheimbünde, die sich schon bald nach dem Ende des Ersten Weltkriegs gebildet hatten. Eine ihrer gewalttätigsten Varianten war die sogenannte Organisation Consul, (OC), ein Geheimbund, hervorgegangen aus dem Freikorps des Brigade-Kapitäns Erhard („Schwarze Reichswehr“), auf deren Konto zahlreiche Fememorde gingen. Zu Beginn der 20er Jahre war die OC auch in Elberfeld aktiv.

Aus dem Umfeld der Aktivisten stammten mit Hanns Hustert und Karl Oehlschläger zwei junge, im Sicherheitsdienst eines Unternehmens und bei der Sicherheitspolizei tätige Männer, die am 4. Juni 1922 ein Attentat auf dem Kasseler Oberbürgermeister Phillip Scheidemann durchführten. Der Sozialdemokrat Scheidemann, der zusammen mit Friedrich Ebert 1918 die Republik ausgerufen hatte, galt bei den rechten Republikfeinden geradezu als Symbolfigur der verhassten Demokratie und hatte zahlreiche anonyme Drohbriefe erhalten, dass er nach dem zuvor ermordeten Zentrumspolitiker Erzberger als nächster auf der Todesliste stehe.

Mit Glück und knapper Not entkam er einem Blausäure-Attentat der beiden Rechtsterroristen aus Elberfeld, die ihr Opfer tagelang zuvor ausgespäht hatten. Der gerade 20-jährige Hustert hatte sich eine Gummispritze und pulverisierte Blausäure besorgt und den Kasseler Oberbürgermeister beim Spaziergang mit seiner Tochter und Enkelin auf der Wilhelmshöhe überfallen. Nur eine starke Windböe, die eine Entfaltung der Gaswolke verhinderte, rettete Scheidemann dabei das Leben.

Hustert und Oehlschläger wurden auf der Flucht in Oberschlesien gefasst und zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt, die sie jedoch nicht absitzen mussten. Bereits nach sechs Jahren waren sie wieder auf freiem Fuß. Immerhin, wurde doch die überwältigende Zahl politischer Morde von rechts zu Weimarer Zeiten gar nicht erst bestraft. Die erstarkenden rechtsradikalen Organisationen im Allgemeinen und die OC im Besonderen bildeten das Umfeld, aus dem heraus im September 1922 in Elberfeld eine 45-köpfige Ortsgruppe der NSDAP und die SA entstanden.

Die dann ab 1923 verbotene rechtsradikale Putschpartei schlug nach 1925 einen nach außen betont legalistischen Kurs ein, mit dem sie spätestens in der Wirtschaftskrise ab 1929 erfolgreich auch in Wuppertal die sozialen Abstiegsängste besorgter Bürger bediente.