Weißenborns lassen die Puppen tanzen

Das Ehepaar gestaltet die Figuren für sein Theater in mühevoller Detailarbeit selbst.

Zentrum. Günther und Ursula Weißenborn können zaubern. Die beiden Puppenspieler lassen ihre Gliederpuppen durch die Luft schweben. Nur wer in Müllers Marionettentheater nahe an der Guckkastenbühne sitzt, sieht die dünnen Fäden, an denen die Puppen hängen.

Foto: Stefan Fries

Langsam setzen die Hauptfiguren des „Froschkönigs“ auf dem Bühnenboden auf. Die Prinzessin, der König und der Prinz, als der sich der Frosch am Ende entpuppt. Alle drei tragen bunte Stoffkostüme und goldene Kronen. Sie heben und senken Hände und Füße, schütteln ihre Köpfe.

Tatsächlich, sagt Günther Weißenborn, „ist jede kleine Bewegung inszeniert.“ Davon lasse sich der Zuschauer faszinieren, sagt seine Ehefrau. „Es ist diese Spielfreude. Man weiß ja, dass es tote Materie ist. Man kann aber zulassen, dass man mitspielt.“ Das sei bei kleinen wie bei großen Zuschauern so.

Das sieht der Besucher aber erst, wenn er hinter die Kulissen blickt. Zwischen Scheinwerfern und Kabeln steht das Gerüst, auf dem die Puppenspieler die Strippen ziehen. An der Decke hängt das Puppenensemble der „Zauberflöte“. Dieses Stück mit Mozarts Opernmusik läuft nach dem Märchen „Froschkönig“ auf der Mini-Bühne.

Insgesamt 30 Stücke gehören zum Repertoire des Marionettentheaters, das seit 1993 einen festen Spielort am Neuenteich hat. Bei jedem Stück, das ist dem gelernten Dramaturgen Günther Weißenborn wichtig, sind die Puppen Teil eines Ganzen. „Da muss alles zusammenpassen.“

So erweitert sich Puppenspiel zum Gesamtkunstwerk mit ausgeklügeltem Bühnenbild, Licht, Musik, Geräuschen und den Stimmen bekannter Wuppertaler Schauspieler wie Bernd Kuschmann und Jörg Reimers. „Wir haben uns die Ästhetiken der großen Theater angeeignet“, sagt Ursula Weißenborn.

Die ausgebildete Puppenspielerin ist diejenige, die — nach de Ideenfindung mit ihrem Ehemann — die Puppen baut. Ihr Atelier ist nur einige Meter vom Theatersaal entfernt. Hier hängen neben Puppen auch großflächige Gemälde. Pinsel und Farbtuben breiten sich auf einem Tisch aus. Auf einer Werkbank liegen die Einzelteile einer Marionette.

Rumpf, Arme und Beine hat ein Schreiner zugeschnitten. Ihre Sache ist die Feinarbeit. Kopf, Hände und Schuhe formt sie aus einer weichen Masse. „Das ist Holzmehl und Wasser“, erklärt sie. Nimmt man einen der Mehlfladen in die Hand, fühlt er sich fast wie Brotteig an. Bloß dass man ihn nicht essen kann.

Einer der Puppenköpfe hat bereits blonde Haare und eine gesunde Gesichtsfarbe. Zum Bemalen nimmt Ursula Weißenborn am liebsten Ölfarben. „Damit lassen sich wunderbare Nuancen gestalten“, sagt sie und zieht mit einem Pinsel ein paar Linien. „Wir wollen kein plakatives Theater machen.“

Deshalb gibt es in ihrem Ensemble auch keine unförmigen Schreckensgestalten, sondern ausschließlich detailgetreue, realistische Menschen- und Tierkörper. „Sonst bekommen die Kinder Angst“, sagt die Puppenmacherin. Gerade bei Stücken, die sich an die Jüngsten richten, müsse man vorsichtig sein.

Ist eine Puppe schließlich zusammengesetzt, bemalt und in Stoff gehüllt, könne sie ewig halten. Wenn doch mal was ist, repariert Ursula Weißenborn ihre Puppen selbst. „ Es ist ärgerlich, wenn sie eine Wiederaufnahme haben und es ist irgendetwas kaputt.“

Nach drei Jahrzehnten Marionettentheater zählt ihr Puppenensemble stolze 700 Köpfe. Darunter sind längst nicht nur klassische Gliederpuppen. Für Igor Strawinskys „Sacre du Printemps“ (Frühlingsopfer) - eigentlich ja ein Ballett - wurden Puppen aus je einem Stück Holz geschnitzt. Dafür waren die Hauptfiguren umso gelenkiger.

Außerdem stellt Ursula Weißenborn auch noch Puppen für die großen Bühnen her. So etwa für Opernproduktionen, bei denen Sänger, Puppen und Sprecher gemeinsam agierten. Diese mannshohen Figuren spielen die Weißenborns mit vollem Körpereinsatz. Für „Die Geschichte vom Soldaten“, die sie mit Orchestern aufführten, bauten sie sogar Puppen aus Musikinstrumenten.