Die Organisation gibt Opfern eine Stimme – Lutz Schneider berichtet von der Arbeit Weißer Ring in Wuppertal sucht ehrenamtliche Helfer
Elberfeld. · Lutz Schneider berichtet über seine ehrenamtliche Tätigkeit.
Bei einem Verbrechen geraten oft vor allem die Tat und die Täter in den Fokus der Öffentlichkeit, die Opfer und deren Angehörige werden mitunter vergessen oder an den Rand gedrückt. Um diesen Menschen zu helfen, wurde vor mehr als 40 Jahren der Weiße Ring in Mainz gegründet. Derzeit hat der Verein bundesweit rund 70 Telefonberaterinnen und -berater sowie über 400 Außenstellen, in denen Kriminalitätsopfer Hilfe erhalten. Derzeit sucht die Organisation im Rhein-Ruhr- sowie im Rhein-Main-Gebiet nach Nachwuchs: ehrenamtliche Mitarbeiter, die für vier bis fünf Stunden die telefonische Erstberatung von Verbrechensopfern übernehmen.
Derzeit hat der Weiße Ring, der von dem ZDF-Moderator Eduard Zimmermann ins Leben gerufen wurde, in Wuppertal zwei Berater: Einer davon ist Lutz Schneider. Seit drei Jahren berät der ehemalige Apotheker die Opfer von Straftaten am sogenannten Opfer-Telefon. Unter der bundesweiten Nummer 116-006 steht er jeweils drei Stunden pro Woche zur Beratung bereit.
Wobei das Arbeitsprofil „Telefon-Berater“ beziehungsweise „Telefon-Beraterin“ nur bedingt stimmt. „Wir haben eine klare Lotsenfunktion“, sagt Schneider. Es gehe darum, die Anrufer reden und ihre Probleme schildern zu lassen. „Die Opfer haben oft keine Stimme“, erklärt der Berater. Bei den Gesprächen sei absolute Anonymität gewährleistet, es finde kein weiterer Kontakt mit dem Anrufer statt, sobald das Gespräch beendet sei. Der Berater gebe keine Empfehlungen, könne aber Stellen benennen, die den Betroffenen weiterhelfen. Das kann zum Beispiel eine Außenstelle des Weißen Rings, das Sozialamt der Kommune oder eine andere Beratungsstelle sein. Im Bergischen Städtedreieck gibt es eine Außenstelle des Weißen Rings in Remscheid: Aus Sicherheitsgründen wird die Adresse nicht öffentlich gemacht.
Ziel der Anzeigenaktion ist es, den Stab der Berater auf bundesweit etwa 100 bis 120 auszubauen, sagt Schneider. Bis zum 14. August können Bewerbungen beim Weißen Ring abgegeben werden. Die Bewerberinnen und Bewerber sollen den Angaben zufolge psychisch stabil, lösungsorientiert und kritik- sowie teamfähig sein. Sie sollten über einen eigenen Computer mit Internetanschluss verfügen, Vorerfahrungen in der Beratung sind wünschenswert, aber nicht Voraussetzung.
Die Berater werden
entsprechend geschult
Flankiert wird die ehrenamtliche Arbeit am Telefon von Supervisionen und Mitarbeitergesprächen, die alle acht Wochen stattfinden – in der Regel in Essen, dem Standort, der für die Region NRW/Rheinland zuständig ist. Bevor man als Berater für den Weißen Ring arbeitet, wird man in einem Grundseminar, Wochenend-Treffen und IT-Schulungen auf die Tätigkeit vorbereitet. „Zudem gibt es die Möglichkeit, sich in der Akademie des Weißen Rings nachschulen zu lassen“, sagt Schneider. Ergänzende Schulungen sind auch deshalb nötig, weil so manche Tat, die am Telefon geschildert wird, den Beratern zusetzt und sie bisweilen nicht mehr loslässt. Das können zum Beispiel Fälle sexueller Gewalt sein, sagt Schneider. Zudem sei in der Hochphase der Corona-Pandemie die Zahl der Anrufe an der Hotline des Weißen Rings gestiegen. Offenbar hätten viele Menschen ein gesteigertes Beratungsbedürfnis gehabt. Anders als zunächst befürchtet hätte sich allerdings die Zahl der gemeldeten Übergriffe in den Familien und Fälle häuslicher Gewalt nicht signifikant erhöht.
Bei der Polizei befürwortet man das Angebot des Weißen Rings. Man bewerte die Arbeit des Vereins „sehr, sehr positiv“, lobt der Sprecher des Polizeipräsidiums Wuppertal, Stefan Weiand. Der Weiße Ring sei „Teil unseres Netzwerkes“ und eine wichtige Ergänzung zur Ermittlungsarbeit der Polizei. Der Einsatz für die Kriminalitätsopfer setze dort an, wo die klassischen Aufgaben der Ordnungshüter endeten.