Wuppertal Wenn Ärzte gehen und Praxen schließen

Seit Freitag ist die Hauspraxis am Sedansberg geschlossen. Oft fehlt Hausärzten ein Nachfolger, wenn sie die Rente antreten.

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Wuppertal. Die Hausarztpraxis Hausprax am Sedansberg ist seit vergangenem Freitag geschlossen. Nicht etwa, weil es keinen Bedarf mehr für sie gebe. Das Wartezimmer war immer überfüllt. Sie wurde geschlossen, weil ein Arzt in Rente geht. Und es für ihn keinen Nachfolger gibt. So entwickelt sich die Lage der Hausarztpraxen nicht nur um den Sedansberg: in Wuppertal, im ganzen Land fehlt es an Nachwuchsärzten, die den Schritt in die Selbstständigkeit wagen und den Beruf des Hausarztes wählen.

Dr. Wolfgang Stein ist einer der sechs Ärzte der Gemeinschaftspraxis Hausprax am Ostersbaum, deren Zweigstelle am Sedansberg es nun nicht mehr gibt. Sein Kollege Walther Schürmann, der auch eine eigene Praxis hat und den Arbeitsalltag am Sedansberg mit bestritt, hört auf. „Und er ist nicht der Einzige, der geht, ohne einen Nachfolger gefunden zu haben“, so Stein. Er erinnere sich an gleich drei Praxen in Vohwinkel, die in der jüngsten Vergangenheit zugemacht hätten, und eine weitere in Langenfeld, die von einem Ärztepaar geführt wurde, bis dieses sich in den Ruhestand verabschiedete.

„In den nächsten zehn Jahren wird etwa ein Drittel der Hausärzte ausscheiden. Das wird nicht aufgefangen werden“, vermutet Stein. Tatsächlich waren im Gebiet Nordrhein, wie Zahlen der Ärztekammer belegen, 935 der insgesamt 4932 Allgemeinmediziner über 65 Jahre alt, 915 waren zwischen 60 und 65 Jahre alt. Andererseits legten 2015 aber nur 107 Medizinstudenten die Prüfung zum Facharzt der Allgemeinmedizin ab. In zehn Jahren würden also bei gleichbleibenden Zahlen 1000 neue Ärzte dazukommen, 2016 könnten aber theoretisch auf einen Schlag schon 935 Ärzte wegfallen, die bereits über 65 sind. Hinzu kommt, dass nur 3006 der insgesamt 4932 Allgemeinmediziner in 2015 als niedergelassene Ärzte, also Hausärzte, registriert waren.

Die Patienten vom Sedansberg will die Hausprax am Ostersbaum auffangen. „Es ist doch so, dass das Gesundheitsministerium in der Vergangenheit nicht gerade viel dafür getan hat, den Beruf des Hausarztes attraktiv zu machen“, so Stein. Den Schritt zu wagen, sich selbstständig zu machen, wagten nur noch wenige. „In einer Gemeinschaftspraxis können teure Gerätschaften leichter angeschafft werden. Alleine ist das Risiko, mit einer eigenen Praxis den Lebensunterhalt bestreiten zu können, viel höher“, betont Stein. Hinzu kommt, dass die Abrechnung von Leistungen für Kassenpatienten seit 2009 über die sogenannte Kopfpauschale nach Ansicht der meisten Ärzte eine Verschlechterung der Arbeitsumstände darstellt. „Und ein Hausarzt genießt im Allgemeinen weniger Ansehen als ein Krankenhausarzt“, so Stein. Die Qualifikation nach der fünfjährigen Facharztausbildung sei aber eine sehr hohe.

Wolfgang Stein ist mit Leib und Seele Hausarzt. „Ich arbeite sicher 50 Stunden in der Woche, aber ich habe großen Spaß an der Arbeit.“ Besonders für Frauen mit Kindern — und Frauen machen in der Medizin den größten Anteil an den Unis aus — sei aber der Beruf des Hausarztes nicht immer ideal. In Steins Gemeinschaftspraxis arbeite aber auch eine junge Kollegin mit reduzierter Stundenzahl. Eine eigene Praxis könnte sie nicht stemmen.

Das Wartezimmer am Ostersbaum ist immer voll besetzt. „Ich bin 65 Jahre alt“, sagt Stein. „Aber wenn ich aufhöre, geht es hier in der Praxis nicht weiter. Also höre ich nicht auf.“