Wer pflegt die ganzen Singles?

Schon jetzt gibt es im Tal 31 000 Alleinlebende, die 65 Jahre und älter sind.

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Das Single-Dasein ist schon lange kein Schicksal mehr, sondern in vielen Fällen eine bewusste Entscheidung. Der moderne Alleinlebende tut alles dafür, nicht einsam zu sein. In der Regel haben Singles ein großes Netzwerk an Freunden. Und Dating-Apps machen die Suche nach Liebschaften so einfach wie nie. Gleichzeitig hat der gesellschaftliche Druck abgenommen, einen festen Partner finden zu müssen und mit einer Familie den Lebensabend zu verbringen.

Das Konzept Einzelkämpfer funktioniert gut — bis das letzte Lebensdrittel anbricht. Auch Wuppertal steuert auf eine gesellschaftliche Herausforderung zu. In fast jedem zweiten Haushalt lebt nur eine Person. Wie werden die derzeit rund 85 000 Wuppertaler Singles alt? Wer hilft ihnen im Alltag? Welcher Enkel erklärt ihnen die technischen Herausforderungen von Morgen? Wer pflegt sie? Wo noch vor ein paar Jahrzehnten die Familie ganz selbstverständlich vor der externen Pflege vorgeschaltet war, federt bei den Alleinlebenden kein Kind mehr die Probleme des Alters ab.

Der Trend zum alternden Single lässt sich bereits in Wuppertal belegen. Nach den jüngsten statistischen Zahlen der Stadt von 2016 sind knapp 25 000 Singles zwischen 25 und 45 Jahre alt. Dagegen sind fast 31 000 Alleinlebende 65 Jahre und älter. Das hängt auch damit zusammen, dass zu den freiwilligen Singles Menschen kommen, deren Kinder längst ausgezogen sind und der Partner verstorben ist.

So überrascht es auch nicht, dass die Einpersonenhaushaltsdichte in Wuppertal nicht etwa in der Talachse am höchsten ist, wo mutmaßlich die Singles ihrem modernen Individualleben nachgehen, sondern in Außenquartieren wie Sudberg, Eckbusch, Siebeneick, Nächstebreck-West oder Ehrenberg. Dort machen Einpersonenhaushalte mit Menschen, die 65 und älter sind, einen Anteil von bis zu 64 Prozent der Haushalte aus. Auch diese Zahl wird weiter steigen.

Das ist auch Ausdruck eines anderen Trends, den Sozialdezernent Stefan Kühn benennt: „Die Leute wollen so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden leben.“ Daher sei es schon heute so, dass zwei Drittel der Menschen mit Demenz weiter zu Hause leben und nur ein Drittel im Altenheim. So schätzt Kühn, dass der Bedarf an ambulanter Pflege massiv zunehmen wird. Ob das auch mehr stationäre Pflegeplätze bedeuten wird, da ist Kühn skeptisch. Schon heute sind die Menschen immer kürzer in den Heimen, weil sie immer später — erst, wenn es gar nicht mehr anders geht — die eigenen vier Wände verlassen.

Aber können Pflegedienste alles auffangen? Stefan Kühn glaubt, dass in der Zukunft „Wahlverwandtschaften“ eine größere Rolle spielen werden. Daher sei auch die Quartiersentwicklung so wichtig. Wer seinen Nachbarn gut kennt, der unterstützt ihn vielleicht auch im Rahmen seiner Möglichkeiten im Alter.

Der Trend zeigt aber in eine andere Richtung. In den Städten kennen viele ihren Nachbarn nur vom Klingelschild. Soziale Treffs wie der Tante-Emma-Laden nebenan, die Eckkneipe oder der Gesangsverein verschwinden. Daher sind Projekte wie der Cap-Markt am Eckbusch oder die Klimaschutzsiedlung Malerstraße so wertvoll. Sie setzen wieder auf das nachbarschaftliche Miteinander.

Es erscheint wichtig, trotz der neuen digitalen Möglichkeiten, nicht den Bezug zur realen Umgebung zu verlieren. Gerade wenn Singles nicht irgendwann im Alter auf sich selbst gestellt sein wollen. Facebook-Freunde fahren sich selten gegenseitig zum Arzt. Aber vielleicht tut’s der langjährige Nachbar.