Karneval Wilde Weiber sollen den Rubel rollen lassen
Im Rathaus übergab Bürgermeister Andreas Mucke symbolisch die Macht an die Karnevalisten. Bei seiner Rückkehr erwartet er Wunder.
Wuppertal. Statt eines Sturms zog eher ein laues Lüftchen durch das Rathaus. Schunkelnd und singend, aber in geordneten Reihen zogen die wilden Weiber zur Fastnacht vom Foyer zum Sitzungszimmer. Dort wurden Prinzessinnen und Piratenbräute bereits erwartet. Robin Hood, alias Andreas Mucke, zog zwar nicht die Kappe, war aber auch nicht genügend auf der Hut, um sich vor dem glatten Schnitt der Damen zu hüten. Im Handumdrehen war der Schlips ab und auch beim barocken Grenadier Kühn fiel das Attribut der Männlichkeit der Schere zum Opfer. Als strahlende Renaissance-Erscheinung hatte Matthias Nocke gut lachen, er trug nur Kragen, keinen Schlips.
„Ruhe!“, gebot Königin Silvia von Hagedorn über den allgemeinen Tumult hinweg. „Das ist das Rathaus der Frauen, nicht der Männer“, beschied die Präsidentin der Großen Wuppertaler Damen KG und räumte sogleich mit den politischen Verhältnissen auf. „Ich bin OB und sag’ es klar, mit mir bleibt alles, wie es war“, legte sie dem Oberbürgermeister in den Mund. Der bewies seinerseits eine lockere Zunge und verknüpfte sein temporäres Abdanken mit saftigen Forderungen. „Eurer Herrschaft wünsche ich viel Glück. Am Aschermittwoch komme ich zurück. Bin dahin ist der Döppersberg fertig gebaut, es gibt kein Auto, das sich irgendwo staut. Die Kasse ist bis dahin wieder voll, ihr macht das sicher toll.“
Das ließ sich Prinzessin Jolina I. nicht zweimal sagen. Mit einem Wink ihres Zepters lud sie ihr Gefolge nach Sekt und Selters zum Kaufrausch ein. „Mädels, da wir gleich über die Stadtkasse verfügen, würde ich sagen, wir gehen erst einmal shoppen.“ Während das närrische Volk sorgenvoll sang „Wer soll das bezahlen, wer hat das bestellt, wer hat so viel Pinke, Pinke, wer hat so viel Geld?“, blieb der Chef vom Sherwood Forest in seinem Glauben an die wunderbare Geldvermehrung unerschüttert. Er gefiel sich sichtlich in seiner Rolle als Held der Armen und hat konkrete Ideen für die Verwendung des reichen Geldsegens nach den tollen Tagen.
„Wenn die Kassen voll sind, investiere ich das Geld in Prävention und Programme gegen Kinderarmut, in Bildung und mehr Betreuungsplätze und den offenen Ganztag.“ Die Infrastruktur habe es natürlich auch nötig und in die Wupper könnten auch ein noch paar Groschen fließen. „Doch dafür können jetzt erst einmal die Närrinnen sorgen.“
Die bedankten sich für den Vertrauensvorschuss mit reichlich Bützchen — und waren angenehm überrascht. „Er hat ein sehr gutes Rasierwasser“, lobte Brigitte Merten. „Und eine sehr schöne, weiche Haut“, ergänzte Silke Wesarg. „Mir hat seine Offenheit gefallen, ich durfte sogar ein Foto mit ihm machen“, schwärmte Sabine Börner, die in der Haut eines Neandertalers steckte.
Bei seiner närrischen Premiere habe sich der Oberbürgermeister gut geschlagen, lobte auch Marietta Appelmann. Sie war bereits zweimal Prinzessin und hat mit jecken Machtübernahmen Erfahrung. Als amtierende Majestät genoss es Ute I. in vollen Zügen, den Rathausschlüssel in der Hand zu halten. Auch wenn Andreas Mucke ihr prophezeite, im Büro den Kämmerers nichts als unbezahlte Rechnungen zu finden. Einen Orden verlieh sie ihm dennoch.
Ihren Prinzen hatte die neue Frau an der Stadtspitze zu Hause gelassen. „Der kommt später, jetzt sind wir Weiber dran.“ Sie ließen den Worten Taten folgen und teilten goldene Taler aus. „Das hatten wir noch nie! Geld! Ein Wunder!, rief Stefan Kühn begeistert. Königin Silvia erteilte jedoch allen Begehrlichkeiten eine Absage. Sie hat konkrete Pläne: „Vielleicht können wir das Land damit bestechen, auf den dritten Knast zu verzichten. Wir brauchen die Kleine Höhe zum Durchatmen.“