„Wir müssen mit Hochwasser leben“

Prof. Andreas Schlenkhoff arbeitet im Bereich Hochwasserschutz. Er glaubt, dass das Bewusstsein für die Gefahr des Wassers fehlt.

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Weltweit werden Starkregen und Überflutungen in den kommenden 25 Jahren häufiger vorkommen. In unserer Region war das erst vor knapp zwei Wochen der Fall. Der Pegel des Rheins steigt an und die Anwohner beobachteten den breiten Strom mit Sorge. Denn es sind Zentimeter, die darüber entscheiden, ob ein Fluss über die Ufer tritt. „Vor Weihnachten war der Boden mit Wasser gesättigt und konnte kein weiteres Wasser mehr aufnehmen“, sagt Prof. Andreas Schlenkhoff vom Lehr- und Forschungsgebiet Wasserwirtschaft und Wasserbau der Bergischen Universität Wuppertal. Die Folgen sind bekannt: Das Wasser fließt oberirdisch ab, die Pegel steigen.

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„Wir müssen mit Hochwasser leben“, sagt Schlenkhoff und nennt es eine gesellschaftliche Aufgabe, sich dem Klimawandel anzupassen. In der Bevölkerung fehle das Bewusstsein für die Gefahr, die von einem Hochwasser ausgeht. „Wir haben zu lange falsche Bilder in die Köpfe gebracht“, glaubt Schlenkhoff, der auch im Hochwasserkompetenzcentrum (HKC) in Köln aktiv ist.

Seine Idee ist eine Kampagne im Format der Fernsehsendung „Der 7. Sinn“, der in den 70er- und 80er-Jahren vor den Gefahren im Straßenverkehr warnte. Zum Hochwasserschutz könnten Tipps gegeben werden, wie den Stromkasten im ersten Stock zu installieren. „Man muss die Gesellschaft erst einmal emotional bekommen, damit sie sich mit dem Thema auseinandersetzt“, ist Schlenkhoff überzeugt. Sonst bleibe das Thema Hochwasser weit weg.

Mit dem Klimawandel kommen Perioden mit Starkregen hinzu. Dieser betreffe meist nur ein kleines Gebiet und sei schwer vorab zu lokalisieren. „Das sind sehr kleinräumige Ereignisse, für die es andere Maßnahmen gibt als für ein Hochwasser“, so Schlenkhoff.

Dabei gehe es darum, die Abflusswege so zu gestalten, dass das Wasser abfließe. Das Wasser dürfe nicht in die Tiefgarage laufen, sondern in die Wupper. Als Vorsichtsmaßnahme solle man es vermeiden, Zimmer von älteren Menschen und kleinen Kindern in den Keller zu verlegen.

Dem Wasser beim Abfließen den richtigen Weg zu weisen, war auch das Ziel eines Projektes in Solingen. Schlenkhoff und sein Team mussten herausfinden, warum das Wasser nicht in die Gullis floß und die Kanäle der Stadt bei Regen nur zur Hälfte gefüllt waren. Der Rest lief über die Straßen. „Wir haben geschaut, wie ist die Performance an der Stelle, an der der Gulli ist“, sagt Prof. Schlenkhoff. Anhand von Simulationen berechneten die Forscher, wie viel Wasser im Gulli ankommt. In Solingen gibt es viele steile Straßen, so dass das Wasser an den Gullis vorbeischoss. „Es weiß gar nicht, dass es rechts ab muss“, sagt Schlenkhoff. Das Problem sei durch eine Optimierung gelöst worden.

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Wenn die Kanalisation voll sei, müsse das Wasser aber auf der Straße abfließen können. Dazu seien häufig bauliche Maßnahmen notwendig. Und das sei wegen der Haftung rechtlich schwierig. „Wenn ein Schaden entsteht, ohne dass man eingreift, dann ist es höhere Gewalt“, sagt Schlenkhoff, der dafür kämpft, Fließwege an der Oberfläche zu gestalten. Inzwischen sei aber festgestellt worden, dass man handeln muss, wenn eine Stelle mehrmals hochwassergefährdet ist.

Prof. Andreas Schlenkhoff

Der Technologietransfer ist neben der Forschung und Lehre ein wichtiges Ziel von Schlenkhoff. Das heißt, die Uni nimmt auch Aufträge aus der Wirtschaft an und bringt durch ihre Forschung unmittelbaren Nutzen. „Ich mache nichts, was keinen zeitlichen oder räumlichen Bezug zur Anwendung hat“, sagt Schlenkhoff,

Das liegt wahrscheinlich an seinem Hintergrund als Bauingenieur. Prof. Schlenkhoff arbeitete als Bauingenieur der Wasserwirtschaft, wobei er unter anderem an der Planung des Phoenixsees in Dortmund beteiligt war. „Das war mein schönstes Projekt“, sagt Schlenkhoff. Es sei nämlich selten, dass sich bei einem Projekt alle einig seien.

In diesem Fall waren die Bevölkerung, Politik und Umweltverbände alle dafür, einen See an der Stelle zu bauen, an der vorher eines der dreckigsten Stahlwalzwerke gestanden hatte. „Man braucht Wasserflächen als Mensch“, sagt Schlenkhoff. Wasser erhöhe die Aufenthaltsqualität. Auch wenn es dem Menschen immer wieder gefährlich werden kann.