„Wir sind im Fast-Food-Zeitalter des Informationskonsums“
Fabian Hemmert ist seit April Professor für Interface- und User Experience-Design und forscht, wie Technik besser werden kann.
Womit beschäftigen Sie sich?
Fabian Hemmert: Wenn man sich umschaut, scheinen die Menschen eine sehr innige Beziehung mit zum Beispiel ihrem Handy einzugehen. Da könnte man sich die Frage stellen: Ist das zu eng? Kann man diese Beziehung nicht entspannen? Wie kann man ermöglichen, dass die Menschen sich wieder mehr mit der Welt beschäftigen, statt mit ihrem Handy? Zum Beispiel durch eine bessere Bedienbarkeit.
Wo kann man da ansetzen?
Hemmert: Wir sind heute oft von Technik geistig überfordert, aber körperlich unterfordert. Dabei denken und fühlen wir sehr körperlich. Ich denke nicht nach, wenn ich das Spülmittel in der Küche suche, ich gehe einfach hin. Wenn ich aber nach Daten auf dem Computer suche, muss ich nachdenken. Man sollte das Körperliche viel mehr einbeziehen.
Gibt es Beispiele?
Hemmert: Ich habe einen Prototyp für ein Handy entwickelt, das seinen Schwerpunkt verlagern kann. Beim Nutzen der Stadtplanfunktion wird es rechts oder links, vorn oder hinten schwerer und zieht wie eine Wünschelrute in die richtige Richtung. Dann muss man nicht aufs Display gucken und hat die Augen frei. Technik sollte etwas sein, das uns hilft, mehr mit der Welt umzugehen. Beim Auto gibt es diese Entwicklung schon. Es ist oft — zumindest im Falle von Car-Sharing — kein Status-Symbol mehr, sondern einfach ein Mittel, um von A nach B zu gelangen.
Wie bringen Sie das Ihren Studenten bei?
Hemmert: Wir machen das ganz spielerisch und experimentierfreudig. Ziel ist es, Möglichkeiten zu erkennen. In meinen Kursen wird praktisch gearbeitet, auch mit Legosteinen und Klebeband. Marco Höwer, einer meiner Studenten, hat zum Beispiel eine Fernbedienung entwickelt, bei der sich Tasten nur dann herauswölben, wenn sie gebraucht werden. Die meisten Fernbedienungen sind ja völlig überfrachtet. Er hat mit einer magnetempfindlichen Flüssigkeit gearbeitet. Erst wenn sich eine Hand nähert, wölben sich die nötigen Tasten heraus.
Hilft das, weniger auf Technik fixiert zu sein?
Hemmert: Wir befinden uns im Fast-Food-Zeitalter des Informationskonsums. Früher musste man für sein Essen erst jagen, es zubereiten. Heute ist nahezu jederzeit Nahrung verfügbar, gibt es überall Häppchen to go. Die sättigen aber nicht — ebenso wenig wie der ständige Konsum von Informationshäppchen. Trotzdem geht meine Hand immer wieder in die Hosentasche zum Handy. Aber wir haben es selbst in der Hand. Wir sollten uns wie beim Essen fragen: Was ist das jetzt, woher kommt es und was macht das mit mir?
Wenden Sie das selbst an?
Hemmert: Meine Frau und ich lassen die Handys jetzt nachts im Wohnzimmer, werden vom Radio geweckt. Das ist super. Dann geht nicht mehr der erste Blick am Morgen aufs Handy. Jetzt lassen wir sogar bei Reisen das Handy zu Hause. Ich bin auch kein Fan von virtueller Realität, ich möchte nicht einen Helm aufsetzen und Handschuhe anziehen, um Urlaub zu machen.
Sehen Ihre Studenten das auch so?
Hemmert: Wir diskutieren darüber, was ein gesunder Umgang mit der Technik ist. Die Gamer wollen natürlich auch virtuelle Realität. Das geht ja auch, man muss sein persönliches Niveau finden. Meine Studentin Julia Lakemeinen hat eine Fernbedienung entwickelt, die „aufgeregt“ wird, wenn man zu viel fernsieht, die dann wackelt, bis sie umkippt. Ich finde es toll, dass sich die Studenten damit beschäftigen.
Wird Technik durch solche Möglichkeiten nicht erst recht zu einer Lebenshilfe?
Hemmert: Das ist ja das Schöne am Design. Design zeigt uns eine mögliche Zukunft. Wenn Menschen heute schon Produkte von morgen in die Hand nehmen können, dann kann uns das dabei helfen, darüber zu sprechen, was wir uns für die Zukunft wünschen.