Kunst „Wir sind nicht sicher“ hinterfragt die Wahrnehmung

Coronavirus: Videokunstnacht in den Riedelhallen findet nun an zwei Tagen im Netz per Livestream statt.

Vier Künstler von „Wir sind nicht sicher“: (v.l.) Uwe Wiesemann, Ilona Hellmiß, Gregor Eisenmann und Achim Konrad.

Foto: Schwartz, Anna (as)

Einen Moment lang gab es den Gedanken, alles zu canceln oder wenigstens zu verschieben. Doch schnell stellten sich die Künstler der durch die Coronavirus-Pandemie veränderten Situation, die sie erneut zu Lernenden machte und dem Titel ihrer geplanten Ausstellung eine dramatische Brisanz verlieh. „Das war so nicht gewollt“, erzählt Ilona Hellmiß, die die Initiatorin des multimedialen Kunstprojekts „Wir sind nicht sicher“ ist. Es findet nun, wie geplant, am Freitag und Samstag in den Riedelhallen statt - aber nicht als analog zu besuchende Schau, sondern als Onlinestream im Netz.

Vor zwei Jahren kam die Videokünstlerin Hellmiß auf die Idee einer Videokunstnacht in Wuppertal. Sie recherchierte, nahm Kontakt zu Künstlern in Wuppertal, Kleve und Köln auf, und fand bei Riedel die passende Location. Zehn der elf Künstler sind auch nach wie vor dabei, nur eine Ausstellung, die die unmittelbare Reaktion des Publikums einbezogen hätte, musste aufgegeben werden. Die anderen dachten um, experimentieren - mit allen Unsicherheiten und aller (An-)Spannung. Was zum Ansatz des Projekts hervorragend passt, das mit Video, Foto, Film Bewegtbildinstallation und Virtual Reality der Wahrnehmung des Menschen und deren Manipulation auf den Grund gehen will.

Da läuft Irena Paskali in einem Film um Gebäude wie den Berliner Reichstag oder die Wiener Hofburg herum. Gemauerte Symbole, die für Macht und Einfluss stehen. Da hat Michaela Kuhlendahl fünf mögliche Lebenswege auf Audiospuren aufgezeichnet, die ein und dieselbe Person gehen könnte. Da verdichtet Jan Verbeeks Installation „Bright Future Ahead“ kontrastierende Aspekte des japanischen Lebens zu einem hektischen Gesellschaftsbild.

Kontrastierender Dialog findet nun ohne Menschen statt

Gregor Eisenmann (Videoinstallation) und Achim Konrad (Ton) planten eine interaktive Performance. Der Besucher sollte sich mit Kopfhörern ausgerüstet in eine, unter anderem mit Spiegelbögen ausgestattete und mit einer Leinwand überzogene Drahtgeflecht-Halbkugel legen und durch seine Bewegungen die darauf projizierte Lichtkunst beeinflussen. Nun wurde alles dem Bildschirmformat untergeordnet, findet der oft kontrastierende Dialog der flackernden Lichtmuster Eisenmanns mit den im Alltag gewonnenen und synthetisch bearbeiteten Sounds von Konrad ohne Menschen statt.

Eigentlich lässt „Wo ist oben“, Virtual Reality-Arbeit von Illona Hellmiß und Uwe Wiesemann, das Echte im Unechten im Echten erleben, was selbst die Macher noch hin und wieder irritiert, „obwohl wir wissen, was passiert“. Der Besucher verliert vermeintlich den Boden unter den Füßen, wenn er mit VR-Brille und Tracker ausgerüstet, den Raum erkundet, Dinge sieht, die nicht vorhanden sind: umherwirbelnde Lichtpunkte, eine Lichtgestalt, ein Bild an der Wand, das den Raum abbildet, in dem er steht. Ein Erleben, das Hellmiß und Wiesemann nun abfilmen, um es dann zusammen mit dem, was der Besucher sieht, auf dem Bildschirm zu zeigen. „Das Gefühl aber, das man hat, wenn sich der Boden verändert, können wir so nicht übermitteln.“

Am 27. und 28. März führt Emmanuel Mir vom Landesbüro Kunst durch einen etwa einstündigen Rundgang, der per Livestream auf wirsindnichtsicher.de gezeigt wird. Zu den fünf Positionen bei Riedel werden Streams der Künstler in Köln und Kleve hinzugeschaltet Ein opulentes „Gesamtkunstwerk“, dessen Wahrnehmung zwar durch den Betrachter, aber auch durch die Dramaturgie der Künstler bestimmt werde, so Eisenmann. Was wieder zur Anfangsfrage des Projekts zurückführt. Eine Frage, die sich im Netz wohl mehr und auch andere Menschen stellen werden als es analog möglich wäre.