Wolfgang Schmitz eroberte zeichnend, was er sah
Der Träger des Von der Heydt-Preises ist jetzt im Alter von 83 Jahren gestorben.
Wer in Wuppertal in den letzten vier Jahrzehnten aufmerksam durch die Stadt ging, konnte einen Mann entdecken, der vor einem Haus oder einer Kirche, an einem Platz oder an der Schwebebahn, neben einer Brücke oder an der Wupper saß. Auf den Knien ein gefaltetes Blatt Papier. Er zeichnete. Ein Bild der Ruhe und großer Konzentration: Der Zeichner Wolfgang Schmitz bei seiner Arbeit, ob in der Nordstadt oder in Vohwinkel.
Wolfgang Schmitz wurde am 26. September 1934 in Marl geboren. Von 1955 bis 1960 studierte er an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf bei Otto Coester und Robert Pudlich. Danach schloss sich ein Studium der Anglistik in Köln an. Schmitz arbeitete als Lehrer an mehreren Gymnasien im Ruhrgebiet und als Dozent im Bereich Sonderpädagogik an der Universität Dortmund. Von 1981 bis 1999 lehrte er an der Hochschule für Künste in Bremen. Zusammen mit seiner Frau, der Malerin Graziellan Drößler zog er 1973 nach Wuppertal.
Zahlreiche Ausstellungen im In-und Ausland von Hamburg Berlin, Frankfurt bis München, in Brüssel, Paris und Nijmwegen, machten ihn bekannt, 1977 nahm er an der Documenta 6 in Kassel teil. 1981 erhielt er den Karl-Ernst -Osthaus-Preis der Stadt Hagen.
Auch in Wuppertal war Schmitz mit seiner Arbeit in vielen großen und kleineren Ausstellungen präsent. Im Von der Heydt-Museum, im Historischen Zentrum oder zuletzt 2014 in der Stadtsparkasse, zusammen mit Graziella Drößler.
Die Stadt Wuppertal ehrte Wolfgang Schmitz doppelt: 1976 mit ihrem Förderpreis und 1997 mit dem Von der Heydt-Kulturpreis.
Wolfgang Schmitz war ein Ausnahme-Zeichner. Er bildete ab, was er sah an Ort und Stelle. Er zeichnet im Rhythmus von Sehen und Umsetzen aufs Papier, im schnellen Wechsel von Kopf- und Handbewegung, von Augenblick zu Augenblick: So eroberte sich Wolfgang Schmitz ganz unmittelbar das, was er sah, Jahrzehnte lang immer auf die gleiche Weise: in Wuppertal, seinem Wohnort, in Städten des Ruhrgebietes, wo er aufgewachsen ist, in Holland, an der Schelde, wo er ein Atelier hatte, in Bremen, wo er lehrte. Der Ort, den Wolfgang Schmitz zum Festhalten aufs Papier aussuchte, musste besonderes Interesse bei ihm wecken. Ausgehend von der Realität, die den Zeichner umgab, fand er stets Spuren der Vergangenheit. Er entdeckte im Bekannten das Fremde, im Imposanten das Unscheinbare, im Außergewöhnlichen das Alltägliche: ein Fenster, eine Häuserfront, eine Figur, eine Brücke oder die Schwebebahn wurde zum Außergewöhnlichen. Denn Schmitz sah nicht nur mit dem äußeren Auge.
Erinnerungen an biografische Momente, historische Ereignisse oder literarische Texte arbeitete Schmitz in seine Blätter zu einem vielschichtigen Geflecht von Beziehungen und Bedeutungen ein. Zeichnend erkundete und erfasste Wolfgang Schmitz so eine ganze Welt, die ganze Welt.
Auf seinen vielen hundert Blättern sind Geschichte, Religion, Kunst, Architektur, Natur aufgehoben, auch dieser Region hier — ein gigantisches Kunst-Protokoll von außergewöhnlicher Überzeugungskraft. „Maler kann man werden, zum Zeichner muss man geboren sein.“ (Edgar Degas)
Wolfgang Schmitz war mit Leib und Seele Zeichner und gehörte zu den Besten seiner Zunft in diesem Land. Am Wochenende ist er nach langer Krankheit in Wuppertal gestorben. Er wurde 83 Jahre alt.