Kirche Neues Gebetsbuch: „Es soll alles vor Gott, auch die Wut“
Es kommen etwa Gebete zu sexueller Gewalt, Homosexualität, dem Befreiungstag von Auschwitz, Geflüchteten oder auch der Pandemie vor.
„Worte finden“ heißt ein neues Gebetsbuch von Sylvia Bukowski, Jochen Denker und Holger Pyka, das im Neukirchener Verlag erschienen ist. „Wir haben uns auf Themen konzentriert, die in anderen Gebetsbüchern nicht so leicht zu finden sind“, erklärt Sylvia Bukowski. Etwa Gebete zu sexueller Gewalt, Homosexualität, dem Befreiungstag von Auschwitz, Geflüchteten oder auch der Pandemie. Themen, zu denen es oft gar nicht so einfach ist, die richtigen Worte zu finden. Das Kirchenjahr hingegen kommt nur mit den wichtigsten Feiertagen vor. „Wir wollten Themen und damit Menschen ins Gebet nehmen, die ausgeblendet sind, wenn man sich nur am Kirchenjahr orientiert“, sagt Holger Pyka.
Drei reformierte Geistliche aus unterschiedlichen Generationen
Die Anregung für das Buch kam ursprünglich vom Neukirchener Verlag, der sich an Sylvia Bukowski wandte. Sie holte ihre beiden Kollegen ins Boot – alle drei sind reformierte Geistliche, aber aus ganz unterschiedlichen Stadtteilen und Generationen: Holger Pyka (39) arbeitet in Uellendahl, Jochen Denker (53) in Ronsdorf und Sylvia Bukowski (71) vor ihrem Ruhestand in Unterbarmen. Sie betreut außerdem das Kinderhospiz Bergisch Land und erlebt so immer wieder die seelischen Nöte von Familien mit sterbenskranken Kindern.
Die Anregungen für die Gebete holten sich die Pfarrer oft in den Psalmen, die in der reformierten Liturgie eine wichtige Rolle spielen. Doch in der Sprache orientierten sie sich stark an einer „normalen“ Alltagssprache. Dabei geht es häufig auch um Gefühle. „Es soll alles vor Gott, auch die Wut“, erklärt Holger Pyka.
Gedacht ist das Buch sowohl für den Gebrauch im Gottesdienst als auch zur eigenen Inspiration für Gebete zu Hause. Deshalb haben sich die drei Pfarrer am Schluss auch mit der Theologie, der Sprache und der Haltung von Gebeten auseinander gesetzt. Jochen Denker erklärt, warum beten einfach gut tut und wer eigentlich der Adressat des Gebets ist. Und er fragt, ob Gebete eigentlich immer erhört werden müssen? Sylvia Bukowski setzt sich mit dem Eingangsgebet im Gottesdienst auseinander, das in der reformierten Liturgie oft den Charakter eines Sündenbekenntnisses hat. Sie warnt jedoch davor, die Gottesdienstbesucher auf ihre Defizite und ihre Schuld zu reduzieren. Holger Pyka rät zu einer konkreten Sprache mit vielen starken Verben und eingängigen Bildern. „Gott ist weitherziger, als unsere gottesdienstliche Sprache das manchmal nahe legt“, erklärt Sylvia Bukowski.
Zusammenarbeit funktionierte trotz der Pandemie
Im Laufe der Arbeit an dem Buch näherten sich die drei Pfarrer immer weiter aneinander an. „Oft wissen wir gar nicht mehr, wer welches Gebet geschrieben hat“, erzählen sie. Als dann während der Arbeit die Pandemie ausbrach, machten sie die Erfahrung, dass die Zusammenarbeit trotzdem gut funktionierte. „Und die Gebete sind wesentlich inniger geworden in der Corona-Zeit“, sagt Jochen Denker. Auch bei den Menschen herrscht eine große Aufmerksamkeit für die Gebete. Holger Pyka stellte eines auf Facebook – es wurde deutlich mehr geteilt als alle anderen Posts.
Die Gebete sind mal kurz, mal mittellang, verteilt auf höchstens zwei Seiten. Ein luftiges Layout erleichtert die Orientierung. Im Sinne der Vielfalt wird Gott auch als Mutter, Schöpferin oder schillernder Gott angesprochen. Die Gebete entfalten eine große lyrische Kraft und widmen sich fast allen Themen, die die Menschen gerade in der Corona-Zeit beschäftigen.