Kunst Bildhauer will die Kunst zu den Menschen bringen
Von Friedemann Bräuer · Bildhauer Tristan Seeling bietet auf dem Ölberg Kurse in seinem Atelier an, bei denen Menschen unter fachlicher Anleitung gestalterisch tätig werden können.
„Der Ölberg ist so ein bisschen ein Dorf in der Großstadt Wuppertal und sicher auch ein freundliches, offenes Künstlerviertel, das ich immer schon schön fand“, sagt Tristan Seeling. Seit September vorigen Jahres lebt er in der Elberfelder Nordstadt, wo er in der Marienstraße/ Ecke Sattlerstraße sein Atelier als Bildhauer und Steinmetzmeister unterhält.
Den Kunstsinn der Nachbarn im Viertel möchte der gebürtige Essener anregen: Mittwochs und freitags gibt er Schnupperkurse, bei denen Menschen, die etwas Neues wagen wollen, unter fachlicher Anleitung gestalterisch tätig werden können. „Es stört mich irgendwie, dass die Menschen in die Museen gehen sollen, um Kunst zu erleben. Ich finde eher, dass die Kunst zum Menschen kommen soll“, sagt Seeling, der auf seine Weise einen Beitrag dazu leisten möchte.
„Diese Schnupperkurse kosten nur kleines Geld, hier kann ich doch keine riesigen Gebühren erheben“, erklärt er und führt aus: „Wer danach Lust hat und meint, dass das das Richtige für ihn ist, der kann dann in unsere Gruppe eintreten.“
Gearbeitet wird im kleinen Atelier in der Marienstraße, das ganz früher mal die Ölberger Taschen-Manufaktur und zuletzt ein Lebensmittelgeschäft beherbergte, und zwar in Ton oder mit Gips. Damit wird ein Negativ erstellt, dem später ein Gießen in Beton folgt.
„Die Menschen freuen sich, dass es hier etwas zum Mitmachen gibt“, glaubt Seeling. Etliche Gips- und Tonköpfe schauen bei ihm aus den Schaufenstern. Eine Vorliebe scheint der Künstler für Nasen zu haben, sieht man doch etliche Modelle im Ausstellungsraum, während an einer Wand ein farbenfrohes abstraktes Gemälde prangt. „Das ist von dem befreundeten Maler Christian Ischebeck, bei dem auch Werke von mir im Atelier stehen.“
Die Tätigkeit von Tristan Seeling beinhaltet auch die Gestaltung von Gräbern, die sich bei ihm nicht nur auf das Verkaufen von Grabsteinen geschränkt. „Bei einer letzten Ruhestätte soll auch etwas von der Persönlichkeit des Verstorbenen zum Ausdruck kommen. Deshalb spreche ich ausführlich mit dessen Familie und versuche, die Besonderheiten wie beispielsweise auch dessen vorherige berufliche Tätigkeit bei der Gestaltung des Grabes zu berücksichtigen.“
Wer der Nachwelt auch seinen Kopf erhalten möchte, ist bei Tristan Seeling an der richtigen Stelle. „Aber, das ist keine Sache, die im Vorbeigehen erledigt ist. Dafür sind schon mehrere Sitzungen erforderlich. Das ist ähnlich wie bei einem gemalten Porträt, das viel Einfühlungsvermögen und ausführliche Gespräche erfordert“, erklärt der Meister.
Im hellen Raum in der Marienstraße sind mit Eva Bößert und Lea Schöning auch zwei Künstlerinnen zuhause. Sie bieten dienstags und donnerstags Töpferkurse an, mit denen aber nicht nur die Fähigkeit zur künstlerischen Gestaltung gefördert werden soll. „Diese Kurse dienen auch der Geselligkeit und der Kommunikation untereinander“, erklärt Seeling. Vor seinem Umzug in die Nordstadt hat er auf dem Arrenberg und in Vohwinkel gelebt.
In der Marienstraße arbeitet Seeling erstmals als Selbstständiger. „Ich habe früher für einen bekannten Wuppertaler Bildhauer gearbeitet, wollte aber künstlerisch auf eigenen Füßen stehen“, ist seine Erklärung für das wirtschaftliche Wagnis. „Mir ist klar, dass ich hier nicht das große Geld verdienen kann“, ist er realistisch: „Für mein tägliches Brot sorgen die in Stein gemeißelten Grabinschriften.“
Seeling ist übrigens ein Name, der als Bildhauer einen guten Klang hat, gibt es mit Michael Seeling doch einen weiteren prominenten Künstler in dieser Branche. „Wir sind nicht verwandt und nicht verschwägert“, erklärt Tristan, fügt aber hinzu: „Ich würde gern mal mit ihm in Kontakt treten.“