Frau Prof. Hofmann, herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Wahl zur Bischöfin: Eine Frau an der Spitze – das ist auch in der evangelischen Kirche keine Selbstverständlichkeit.
Interview „Wir brauchen Menschen, die kirchliche Arbeit unterstützen“
Wuppertal. · Interview Beate Hofmann, künftige Bischöfin für Kurhessen-Waldeck, will deutlich machen, warum es sich lohnt, in der Kirche zu sein. Sie lehrt an der Kiho Wuppertal/Bethel.
Professor Dr. Beate Hofmann: Aber es ist auch nicht ganz ungewöhnlich. Bischöfinnen gibt es in in der evangelischen Kirche seit mehr als 20 Jahren. Maria Jepsen aus Hamburg war 1992 die erste lutherische Bischöfin überhaupt. Und in Kurhessen-Waldeck bin ich zwar die erste Frau im Bischofsamt, doch diese Kirche hatte schon zweimal eine Frau als Prälatin. Man ist dort Frauen in höheren kirchlichen Leitungsämtern gewöhnt – unter anderem Margot Käßmann kam aus der hessischen Kirche.
Stichwort kirchenleitendes Amt: Sie wechseln dorthin als Professorin für Diakoniewissenschaft und Diakoniemanagement. Kritiker könnten nun zu viel höhere Theologie und Verkopfung befürchten.
Hofmann: Das war eines der Vorurteile, klar. Ich habe deshalb in meiner Vorstellungsrede auch sehr deutlich thematisiert, welche Fragen mich beschäftigen. Zum Beispiel, wie sich Kirche ganz konkret entwickelt. Ich bin praktische Theologin, habe mich sehr viel mit dem Thema Ehrenamt beschäftigt, dem Zusammenspiel zwischen hauptamtlichen und ehrenamtlichen Mitarbeitern. In den vergangenen Jahren ging es im Zusammenhang mit Diakoniewissenschaft auch viel um Führungsfragen und Unternehmenskultur in Kirche und Diakonie – das sind aus meiner Sicht durchaus relevante Themen für ein kirchenleitendes Amt.
Hinter dem Argument, zu akademisch zu sein, steht ja meist der Vorwurf, man sei zu abgehoben…
Hofmann: …oder höre nicht hin oder sei nicht zu verstehen. Dieses Vorurteil habe ich durch Predigten und Auftritte versucht zu entkräften, indem ich deutlich gemacht habe, wer ich bin: Ich bin jemand, den man verstehen kann und mit dem man in Dialog kommen kann. Das hat die Synode offensichtlich auch so gesehen, sonst hätte sie mich nicht so klar gewählt.
Das ist ja wirklich eine sehr deutliche Wahl gewesen. Hatten Sie damit gerechnet?
Hofmann: Ich habe natürlich gehofft, aber nicht vermutet, dass es so schnell so eindeutig sein würde. In den Tagen zuvor war immer wieder davon die Rede gewesen, es werde knapp und ein Kopf-an-Kopf-Rennen geben.
Gibt es ein Thema, das Ihnen besonders am Herzen liegt?
Hofmann: Mir ist es wichtig, deutlich zu machen, dass Kirche vielfältig ist. Das sieht man schon an Frauen und Männern in kirchenleitenden Ämtern, das sieht man aber auch daran, dass einem Kirche an sehr unterschiedlichen Orten begegnen kann: als Gemeinde, als Gebäude, als kirchliches Angebot. Kirche kann aber auch über Diakonie wirken, in einem Krankenhaus, in Schule oder Kita. Oder ganz unerwartet, zum Beispiel durch Präsenz auf Brautmessen. Der liebe Gott spielt viele Melodien.
Kirche hat aber auch nicht erst seit gestern ein Problem. Erst jüngst wurde wieder über Ursachen des Mitgliederrückgangs berichtet. Was ist zu tun?
Hofmann: Wir dürfen uns nicht in die gute Stube zurückziehen und betrauern, dass wir kleiner oder weniger oder ärmer werden. Sondern wir haben eine gute und für diese Welt sehr wichtige Botschaft und sind geschickt, sie unter die Menschen zu bringen.
Diese Botschaft wollen aber offenbar immer weniger hören.
Hofmann: Das denke ich nicht. Doch viel zu viele treten aus, weil sie nicht wirklich einen Bezug zur Kirche entwickelt haben und denken, sich das Geld sparen zu können. Da ist es wichtig, mehr Relevanz-Erfahrung zu ermöglichen. Wir werden den Trend nicht einfach umdrehen können, das wäre naiv. Aber ein Ansatz wäre, dass wir als Kirche sehr viel deutlicher machen müssen, warum es sich lohnt, Mitglied in dieser Kirche zu sein.
Wie sind Ihre Argumente?
Hofmann: Es gibt ja viele Menschen die eine Haltung haben nach dem Motto, „ich finde es echt toll, was Ihr als Kirche macht, aber bitte nicht mit meinem Geld“. Und da muss man deutlich machen, dass diese Haltung problematisch ist: Denn einerseits soll Kirche da sein, soll Kindern Werte vermitteln, sich um Arme kümmern, das Evangelium verkünden und Menschen in Krisensituationen begleiten – das sind wichtige Aufgaben, die wir gern und auch weiterhin erfüllen wollen. Aber es sind andererseits eben auch Dinge, die Geld kosten. Zu sagen, „ich trete aus der Kirche aus und lasse andere dafür bezahlen, dass ich Angebote weiter nutzen kann“, ist eine Haltung, die auf Dauer nicht mehr funktionieren wird.
Es geht also auch um gesellschaftliche Solidarität?
Hofmann: Ganz klar, ja. Wir brauchen Menschen, die kirchliche Arbeit unterstützen, auch wenn sie vielleicht nicht jeden Sonntag in den Gottesdienst gehen und womöglich in einer Lebensphase sind, in der sie keine Zeit oder auch keine Lust auf ein Ehrenamt haben. Aber die sich zumindest finanziell solidarisch zeigen und es somit anderen ermöglichen, diese Arbeit zu tun.
Eine über lange Zeit gewachsene Ansicht: Kirche ist immer da und macht schon...
Hofmann: Einer Gesellschaft, in der es oft heißt, die Kirche ist doch so reich, soll sie doch bezahlen, muss gesagt werden: Nein! Kirche hat eben nicht so viel Geld. Wobei es regional und konfessionell sicher teils große Unterschiede gibt. Klar ist, dass Vereine, Parteien und Gewerkschaften ebenfalls um Mitglieder kämpfen. Die Bindungskraft all dieser Institutionen wird geringer, das ist ein gesellschaftlicher Trend, der sich gar nicht mal gegen Kirche, sondern gegen diese Art der Mitgliedschaft richtet. Von daher lautet auch eine Frage, wie man möglicherweise unterschiedliche Formen von Mitgliedschaft entwickeln kann.
Gibt es schon Modelle für solch alternative Mitgliedschaften?
Hofmann: Soweit ist es noch nicht, ich vermute auch, dass die Landeskirchen da unterschiedlich weit sind. Auf jeden Fall ist der Kircheneintritt in den vergangenen Jahren viel einfacher geworden, es gibt in zahlreichen Städten Kircheneintrittsstellen, und natürlich besteht die Möglichkeit, beispielsweise Fördermitglied in einer Initiative zu werden oder regelmäßig zu spenden.
Wie also können Menschen noch für Kirche gewonnen werden?
Hofmann: Durch Präsenz und Beteiligung: Evangelische Kirche in Deutschland versteht sich als Volkskirche mit unterschiedlichen Formen der Beteiligung, Menschen wollen sich projektbezogen engagieren. Der Möglichkeiten sind da viele. Aber es muss klar sein, dass alle Projektarbeit auch nur dann möglich ist, wenn eine solide Grundstruktur darunter vorhanden ist.