Lokalpolitik Wuppertal: Oberbürgermeister und Stadtverordnete reagieren auf die offenen Briefe aus der Bürgerschaft

Wuppertal · Grünen-Fraktionschef: „Im Moment ist die Lage desaströs“

„Salus publica suprema lex – Das öffentliche Wohl ist oberstes Gesetz“: Leitspruch für die Stadtverordneten im Rathaus in Barmen.

Foto: Anna Schwartz

Es brodelt in der Wuppertaler Stadtgesellschaft. Der Unmut hat sich mit deutlichen Worten in mehreren offenen Briefen niedergeschlagen, die an die Fraktionsspitzen des Stadtrats sowie an Oberbürgermeister Uwe Schneidewind adressiert sind (wir berichteten). Die Verfasser sind namhafte und honorige Vertreter der bürgerlichen Kreise der Wuppermetropole, deren Äußerungen sich insbesondere auf die jüngste Ratssitzung beziehen, in der ein – vielfach als fähiger Bewerber bezeichneter – Kandidat nicht zum Dezernenten gewählt wurde. Die Briefeschreiber monieren ein „eklatantes Versagen einer demokratischen Zusammenarbeit“und appellieren an das Verantwortungsbewusstsein der Stadtverordneten, über die Parteigrenzen hinweg eine Zusammenarbeit zum Wohle der Stadt anzustreben.

Auf Nachfrage der Westdeutschen Zeitung reagierte nun Oberbürgermeister Uwe Schneidewind auf die Briefe: „Die Kritik ist sehr ernstzunehmen. Es zeigt, welche Irritationen die Ereignisse im Rat ausgelöst haben.“ Die notwendige Vorabstimmung innerhalb der Fraktionen habe gefehlt. „Das hat offenbar nicht stattgefunden.“ Es habe im Vorfeld der Dezernentenwahl einen intensiven Findungsprozess gegeben, wie Schneidewind betont. Allerdings sei es in der Groko plus (gemeint ist der Schulterschluss der Fraktionen von CDU, SPD und FDP) wohl nicht gelungen, alle Mitglieder hinter sich zu vereinen. Schneidewind will nun auf die Fraktionen zugehen und das Gespräch suchen, um gleich nach der Sommerpause darüber zu reden, wie man konstruktiv weitermachen kann. „Ich bin guter Dinge, dass alle Beteiligten um ihre Verantwortung wissen und wir einen guten Weg finden werden, wie es vernünftig weitergeht.“

Die Freien Wähler sprechen
von Rücktritt als logischer Folge

„Die vergangene Ratssitzung war in der Tat keine Sternstunde der Wuppertaler Kommunalpolitik“, teilt die CDU-Fraktion auf Nachfrage mit und spricht von Verständnis für den Vertrauensverlust seitens der Bürger und der Fraktionen. Die Fraktionschefs Caroline Lünenschloss und Ludger Kineke verweisen aber darauf, dass es im Rat „auf fachlicher Ebene eine sehr gute Zusammenarbeit“ gebe. „So konnte einvernehmlich ein Haushalt verabschiedet werden, der an entscheidenden Stellen Signale setzt, um die Stadtentwicklung voranzubringen“, so die Christdemokraten. Als Beispiele nennen sie unter anderem Verbesserungen in der Gewerbeflächen- und Wohnraumentwicklung, die Umstrukturierung des städtischen Gebäudemanagements und die Beschlüsse zur Bundesgartenschau und zum Bau des Pina Bausch Zentrums. „Sie sehen, wir übernehmen Verantwortung und möchten daran in den kommenden Wochen und Monaten auch im Hinblick auf die anstehenden, personellen Entscheidungen wieder anknüpfen“, so Ludger Kineke.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Klaus Jürgen Reese teilt die Kritik der Briefschreiber „eins zu eins“, wie er sagt: „Wir hatten einen guten Kandidaten als Dezernent, leider haben 39 andere Ratsmitglieder sich dagegen entscheiden.“ Er frage sich immer noch warum. Jetzt werde es nicht einfacher, geeignete Kandidaten zu finden. Seine Fraktion sei indessen gesprächsbereit. Reese: „An uns soll es nicht liegen.“

FDP-Fraktionschef Alexander Schmidt begrüßt den Wunsch der Briefeschreiber, gemeinsam im Sinne der Stadt nach vorne zu schauen. Die Zuschnitte der Dezernate hält er inhaltlich für richtig, die Kandidaten seien fachlich und persönlich hervorragend geeignet gewesen. „Leider haben mehrere Fraktionen trotz Auswahlkommission sich dogmatisch verweigert und einzelne Stadtverordnete ihre persönlichen Befindlichkeiten in den Vordergrund gestellt“, so Schmidt am Freitag.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die lieber eine Frau als Dezernentin gesehen hätte, ist zu Gesprächen mit den anderen Fraktionen sowie dazu bereit, parteipolitische „Gräben zu überwinden“, so deren Sprecher Paul Yves Ramette. Im Moment sei die Lage desaströs. „Die Stadt muss aber handlungsfähig bleiben. Zudem werden ja weiterhin drei Dezernenten gesucht.“

Die Linke-Fraktion kritisiert stark die Vergabe von Dezernatsposten nach parteitaktischem Kalkül. „Es sollte auf Persönlichkeit, Kompetenz und Erfahrung und nicht aufs Parteibuch ankommen“, so die Einschätzung von Gerd-Peter Zielezinski. Der Rat sei durchaus zu einhelligen Entscheidungen fähig, wenn die Befähigung des Bewerbers stimme: „Bei der einstimmigen Wahl des Kämmerers Thorsten Bunte ist der Rat seiner Aufgabe hoffentlich gerecht geworden.“

Dass die Groko plus nicht ihren Wunschkandidaten durchsetzen konnte, sei keine Katastrophe, sondern beruhe auf der „freien demokratischen Entscheidung jedes einzelnen Ratsmitglieds“, meint Ralf Wegener von der Ratsgruppe Freie Wähler. Er geht hart mit den Fraktionschefs der Groko plus ins Gericht: „Sie sind nicht in der Lage, zu überzeugen, zu führen. Wie sollen solche Persönlichkeiten die Geschicke der Stadt positiv gestalten“, fragt Wegener und folgert: „Die logische Konsequenz müsste eigentlich der Rücktritt der Fraktionsvorsitzenden sein.“