Rodung im Osterholz Bürgerinitiative wirft Wuppertals OB Schneidewind vor: „Sie haben da viel verschlafen“
Wuppertal · Nach zwei Jahren Diskussionen sind die Rodungsarbeiten im Waldgebiet Osterholz im Gange. Wuppertals Oberbürgermeister muss bei einem WDR-Gespräch dazu mit scharfer Kritik umgehen.
Nach zwei Jahren Diskussionen um die Rodung der rund 1500 Bäume im Osterholz wurde das von Aktivisten besetzte Waldstück am Donnerstag geräumt und die Rodungsarbeiten sind im Gange. Im WDR 5 Stadtgespräch diskutierten zu diesem Anlass am selben Abend Till Iseke, Geschäftsführer der Kalkwerke Oetelshofen, Marjolein Schlüter von der Bürgerinitiative „Osterholz bleibt“ und Wuppertals Oberbürgermeister Uwe Schneidewind. Moderatorin Judith Schulte-Loh übermittelte zugeschaltete Anrufer sowie Fragen und Kommentare aus den Sozialen Netzwerken.
„Wir stehen hier, weil jeder Baum zählt“, ertönt ein eingespielter O-Ton von der Räumung im Osterholz zu Beginn des Gesprächs. Marjolein Schlüter schildert die Räumung aus Sicht der Aktivisten und berichtet von Verhandlungen mit den Polizisten vor Ort. Der Geschäftsführer der Kalkwerke Oetelshofen, Till Iseke, war da und beschreibt die Situation als „surreal“. „Das war das erste Mal, dass ich so was machen musste“, meint Iseke. Der erste Tag sei für ihn mit Adrenalin gefüllt gewesen. Oberbürgermeister Uwe Schneidewind war allerdings nicht vor Ort, was ihm die zugeschaltete Hörerin Su Kaufmann vorwirft: „Wo waren Sie am Tag der Rodung, wenn Ihnen das so am Herzen liegt?“ Er habe sich im Vorfeld intensiv eingesetzt, antwortet Wuppertals Oberbürgermeister. Es sei eine Abwägung gewesen, weil er in den Sozialen Medien verfolgt habe, dass er für viele in eine „Sündenbock-Rolle“ gekommen sei. „Um die Stimmung, das Klima da nicht noch weiter aufzuheizen“, so Schneidewind. „Ich glaube nicht, dass das Auftauchen vor Ort zu irgendeiner Form der Deeskalation beigetragen hätte.“ Er habe aber trotzdem engen Kontakt zu Leuten gehalten, die im Wald waren. Die Proteste halte er für extrem wichtig, vor allem in Zeiten, in denen sich das Wertegefüge der Gesellschaft verschiebe.
Teilnehmer diskutieren über den Umgang mit Alternativen
Im Fokus des Gesprächs standen neben der eigentlichen Räumung und Rodung des rund fünf Hektar großen Waldstücks vor allem auch der Weg dahin und welche Alternativen in Frage gekommen wären. Für die Kalkwerke Oetelshofen sei die Situation in den vergangenen Monaten belastend gewesen, antwortet Till Iseke auf die Frage, wie sehr sie unter Druck gestanden hätten. Man habe die Urteile aus Düsseldorf und Münster abgewartet. „Wir haben abgewartet, was der runde Tisch, den Herr Schneidewind einberufen hat, an Ergebnissen bringt“, berichtet Iseke. Es habe keine umsetzbare Alternative gegeben.
Die Bürgerinitiative „Osterholz bleibt“ sieht das anders. Im Gespräch schildert Marjolein Schlüter, welche Alternativen in Frage gekommen wären. Schneidewind wirft sie vor: „Da haben Sie viel verschlafen.“ Der Oberbürgermeister wiederum beruft sich auf den runden Tisch und die umfassende Prüfung der Alternativen. Es sei aufgelistet, warum sich die Optionen schwer durchführen ließen. „Sie können wirklich glauben, ich habe wirklich vieles versucht“, meint Schneidewind. Als grüner Oberbürgermeister sei es keine Idealvorstellung, dass in einem solchen Wald fünf Hektar teilgerodet werden müssen.
Warum das Waldstück, welches der Familie gehört, gerodet werden soll, erklärt Iseke im weiteren Verlauf des Gesprächs. Es wurde geschaut, was genehmigungsrechtlich möglich war. Es gab logistische Gründe und wirtschaftliche Faktoren: „Man kann dieses Material nicht einfach zum Mond schießen oder zig Kilometer weit fahren. Das ist ein erheblicher Aufwand“, so Iseke. Warum er die Zeit, statt sie in ein Gerichtsverfahren zu investieren, nicht in ein Genehmigungsverfahren investiert hat, fragt Anruferin Su Kaufmann nach. „Die politische Schiene zu bearbeiten, das haben wir nicht versucht, dafür sind wir glaube ich, ein zu kleines Licht“, meint Iseke. Doch einig sind sich die Teilnehmer des Gesprächs, dass sich politisch etwas ändern muss. Ein Kommentar von den „Scientists for Future“ hebt etwa die kühlende Funktion des Waldes herovr, der für das Klima in der Region wichtig ist. Dass solche Faktoren in aktuellen Gesetzen nicht vorgesehen sind, findet der grüne Oberbürgermeister bitter: „Wir müssen hier Gesetze nachziehen, weil die Proteste auch nachvollziehbar sind.“