Wuppertaler Familie auf Europa-Tour: Griechenland war eine Bauchentscheidung

Im Sommer wollen Schekallas in Nordeuropa sein. Reicht die Zeit noch für Ungarn?

Foto: Stefan Fries

Ich bemerke gar nicht, wie die Fähre ablegt. Erst als die Kinder schreien, dass sie an Deck wollen, sieht man den Hafen von Brindisi schon so gut wie gar nicht mehr. Zuvor habe ich noch eine Stunde in einer trügerisch kurzen Schlange am Check-in-Schalter stehen müssen, um die Butze anzumelden. Danach dürfen wir dann in das große, geöffnete Maul des Schiffs fahren; hinein in den Bauch der Bestie, um zu parken. Fälschlicherweise habe ich angenommen, man dürfte während der neunstündigen Fahrt noch mal in den Camper.

Aber leider müssen wir uns mit dem Essen auf das beschränken, was wir spärlich bei uns tragen und später teuer an Bord nachkaufen müssen. Im etwas schäbigen Aufenthaltsraum sitzen nur Truckfahrer aus Griechenland, Rumänien oder Albanien. Wie auf Kommando hauen sich nahezu alle aufs Ohr, als wir im Begriff waren abzulegen — jede Minute wird effektiv genutzt.

Nur wir langweilen uns relativ schnell und versuchen, die Kinder mit Firlefanz abzulenken. Das klappt nicht ganz so gut, wie ich es dachte, als wir noch festen Boden unter den Füßen hatten. Die letzten zwei Stunden der Fahrt werden zur Zerreißprobe.

Kurz bevor wir abends um halb elf in den Hafen von Igoumenitsa einlaufen, flimmert CSI Memphis auf italienisch im Bordfernsehen. Eines der Kinder schläft zum Glück, das andere malt wie in Trance und bemerkt nicht einmal mehr den Mord im TV.

An sich ist die Bootsfahrt ziemlich malerisch. Vor allem als wir an Albanien vorbei schippern; atemberaubende Berge, herrliche Serpentinen und enge Straßen versprechen eine interessante Heimfahrt. Auf meinem Handy kündigen derweil zwei SMS an, dass sich ebendieses mit einem Satelliten verbunden hat und die nächste Rechnung rund 104 Euro teurer ausfallen wird. Ich schalte auf Flugzeugmodus und muss mich zusammenreißen, das ganze als Karmagebühr zu verbuchen; dafür, dass ich die Butze im engen Bauch der Fähre nicht zu Schrott gefahren habe. Die Truckfahrer nehmen gerne mal eine Ecke vom Stahlriesen mit, wenn sie um die schmalen Kurven im Innern abbiegen müssen.

Wir kommen um 23 Uhr unbeschadet wieder raus und parken das Womo vor einem nahen Campingplatz — nachdem wir uns im Dunkeln noch kurz verfahren haben. Griechenland empfängt uns am nächsten Tag mit Sonnenschein und angenehm hohen Temperaturen. Hierhin zu kommen hatten wir nicht geplant. Es war eine Bauchentscheidung und wird damit bezahlt, dass wir nicht allzu lange Zeit aufwenden können, um durch die Gegend zu gurken.

Da unser mittelfristiger Plan - es im Sommer in den Norden Europas zu schaffen - noch vor uns liegt, müssen wir uns fast schon beeilen, um die Strecke bis Ende Mai zurück nach Deutschland zu schaffen. Auch wenn ich denke, die Zeit vergeht nicht ganz so schnell, sitzt sie uns gnadenlos im Nacken und treibt uns unweigerlich in die Arme eines geregelten Alltags zurück. Ich kann ihn schon am Horizont ausmachen und jedes Mal, wenn ich an ihn denken muss, wird mir ganz mulmig in der Magengegend. Das Gefühl, keine Zeit zu haben, hatte ich auch schon vor der Fahrt. Zwar fühlt es sich jetzt genauso an, doch erleben wir weitaus mehr und ich bilde mir ein, ich könnte mich an so gut wie jede Minute der Reise erinnern. Es vertreibt zumindest partiell den Gedanken, alles irgendwann hinter uns lassen zu müssen.

Wir werden Griechenland bald verlassen haben und uns auf den Weg durch Albanien, Montenegro und Kroatien machen. Wir werden die Zeit stoppen müssen und zwischendurch entscheiden, ob wir uns noch einen kurzen Abstecher durch Ungarn erlauben können.

Euer Mycha