Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen Wuppertaler Hilfsnetzwerke sind alarmiert: Immer mehr Gewalt gegen Frauen
Wuppertal · Die Hilfesysteme in Wuppertal stoßen an ihre Grenzen, Finanzierungslücken bedrohen Unterstützungsangebote.
Von Johanna Christoph
Die Zahlen sind alarmierend: Laut Angaben des Bundeskriminalamts im Lagebericht, der anlässlich des heutigen Internationalen Tags gegen Gewalt an Frauen herausgebracht worden ist, sind im Jahr 2023 im Bereich Häuslichen Gewalt 180 715 weibliche Opfer erfasst worden – das sind 5,6 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Zahlen für das Jahr 2024 liegen noch nicht vor – doch laut Sabine Böse von der Wuppertaler Frauenberatungsstelle setzt sich dieser Trend fort. „Wenn wir nur die Kriminalstatistik anschauen, dann wird deutlich, wie viel mehr Frauen Beratung und Schutz vor Gewalt suchen“, berichtet sie.
Im Jahr 2022 haben demnach 946 Frauen das Beratungs- und Gruppenangebot der Frauenberatungsstelle wahrgenommen. 2023 waren es 1932 – mehr als doppelt so viele. „Täglich werden Frauen und Mädchen vergewaltigt, bedroht oder belästigt. Geschlechtsspezifische Gewalt ist Alltag, genauso wie der Kampf der Betroffenen um Anerkennung ihres Leides, um ihre Rechte und um Unterstützung“, so Sabine Böse. Erst Mitte November ist ein Mann in Wuppertal festgenommen worden, der unter Verdacht steht, mit einer abgebrochenen Glasflasche auf seine Ex-Frau eingeschlagen zu haben (WZ berichtete). Die Staatsanwaltschaft richtete eine Mordkommission ein.
Die Ausübung von häuslicher Gewalt lasse sich nicht durch einzelne Ursachen und Auslöser wie Stress, individuelle psychopathologische Besonderheiten, Alkohol- und Drogenkonsum erklären, so Böse. Es handele sich auch nicht um private Partnerschaftskonflikte und Einzelfälle. „Das gibt es in jeder Altersstruktur, das passiert in allen Gesellschaftsschichten“, so Stefan Weiand, Pressesprecher der Polizei Wuppertal.
Auch Bettina Tyndale vom Wuppertaler Frauenhaus bestätigt die Trendentwicklung, „wobei die Aufnahmezahlen des Wuppertaler Frauenhauses das nicht widerspiegeln“. Verschiedene Faktoren sorgten seit einiger Zeit für eine längere Aufenthaltsdauer in Frauenhäusern. Dazu gehöre der Fachkräftemangel in Behörden, der zu längeren Bearbeitungszeiten von Anträgen führt. „Oder auch die katastrophale Situation auf dem Wohnungsmarkt“. So werde ein zeitnaher Auszug blockiert und es dauere länger, bis ein Zimmer neu vergeben werden könne. „Der Bedarf dagegen wächst – sodass immer mehr Frauen weitervermittelt oder abgewiesen werden müssen“.
Der Verein Frauen helfen Frauen betreibt neben dem Frauenhaus auch die Fachberatungsstelle Häusliche Gewalt und Stalking. Unter anderem findet dort die proaktive Beratung statt. Das heißt konkret, dass die Polizei nach einem Einsatz zu Häuslicher Gewalt die Daten der Betroffenen mit deren Einverständnis an die Fachberatungsstelle weitergibt.
Die Kolleginnen kontaktieren dann die Frau und machen ein Beratungsangebot. 2022 fanden dort 657 Beratungen statt, im Jahr 2023 695. „Die Zahlen unterscheiden sich nicht wesentlich, da die Kapazitätsgrenze bereits erreicht ist“, so Tyndale. Darüber hinaus bleibt die Finanzierung ein Problem: „Wenn den Beratungsstellen wie von der Bundesregierung geplant Gelder gestrichen werden, wird das zur Folge haben, dass Betroffene kein Beratungsangebot mehr finden. Das wäre ein enormer Rückschritt im Kampf gegen Gewalt gegen Frauen“, betont Tyndale.
Den Runden Tisch gegen häusliche und geschlechtsspezifische Gewalt Wuppertal gibt es seit 2001. Katrin Weber berichtet, dass die Täterarbeit eine wesentliche Komponente ist. Dabei handelt es sich um kognitiv-verhaltensorientierte Maßnahmen für erwachsene männliche Täter, die gegenüber Frauen gewalttätig geworden sind. „Qualifizierte Täterarbeit ist ein wichtiger Baustein im Kampf gegen Gewalt gegen Frauen, denn Täterarbeit ist auch Opferschutz.“ In Wuppertal gibt es jedoch keine entsprechenden Angebote – weil die Finanzierung fehlt. Laut Kriminalstatistik für 2023 sind in Wuppertal 1508 Fälle von häuslicher Gewalt angezeigt worden. Ein häufiges Einsatzszenario der Polizei ist etwa ein Partner, der sich aggressiv verhält, berichtet Weiand. Wenn vom Partner eine Gefahr ausgeht, kann die Polizei ein Wohnungs- und Rückkehrverbot von zehn Tagen aussprechen und die Frau an das Hilfsnetzwerk in Wuppertal verweisen.