Stadtentwicklung Wuppertaler Kaufhof: Schule wehrt sich gegen Pläne für einen Umzug
Wuppertal · Leitung befürchtet zu viel Ablenkung und sieht das funktionierende Konzept in Gefahr.
Vor einer Woche hat der Stadtrat dafür gestimmt, dass die Stadtverwaltung Möglichkeiten prüft, künftig Schulen zu mieten, statt sie selbst zu bauen. Meist diskutierter Vorschlag in diesem Zusammenhang: ein Umzug der Gesamtschule Else Lasker-Schüler ins leer stehende Kaufhofgebäude in der Elberfelder Innenstadt. Dieser Plan erhält vor allem von der Schule selbst Widerspruch.
Wie es aussehen könnte, wenn das Kaufhofgebäude als Schule und Stadtbibliothek genutzt würde, zeigt eine Präsentation, die zu den Ratsunterlagen gehört (siehe Kasten). „Verführerisch“ und „attraktiv“ nennt Silvio Geßner, Didaktischer Leiter der Schule, die Bilder. Aber für die „Else“ wäre der Umzug seiner Meinung nach trotzdem „eine Katastrophe“. Schulleiter Torsten Peters hat Verständnis für die Idee: „Keiner möchte ein leer stehendes Kaufhaus in der Stadt.“ Aber: „Das kann nicht auf Kosten der Schülerinnen und Schüler gelöst werden.“
Die Schülerschaft der Else sei eine andere als an einigen anderen weiterführenden Schulen: 85 Prozent der Schüler kämen aus Familien mit Migrationshintergrund oder einem bildungsfernen Milieu. Silvio Geßner erinnert: „Wir haben den Schulsozialindex 8“ – den zweithöchsten auf einer Skala von 9, was eine hohe Belastung bedeutet. Ein Umzug in die City „würde der Schule nicht guttun“, so Geßner.
Kritik: „Bisher keine
pädagogischen Argumente“
Damit meinen die beiden Pädagogen vor allem die große Ablenkung und Verführung für die Schüler: das Angebot von Kiosken, ungesunden Imbissen, Shisha Bars und Geschäften für Dampfzigaretten, Sex-Shops und Spielotheken, mögliche schlechte „Vorbilder“ durch Drogenkonsumenten, zudem den Verkehr. Schule sei dann nur noch im Innenraum möglich, was ein Gefühl des Eingeschlossen seins erzeuge, verstärkt durch den Schulhof auf dem Dach.
Ein wichtiger Punkt ist für sie das pädagogische Konzept der Schule, das das Umfeld mit einbezieht – wie das Nachbarschaftsheim und die Alte Feuerwache. Veranstaltungen wie Flohmärkte oder das Spiel- und Sportfest Ostersbaum seien nach einem Umzug nicht mehr realisierbar, auch das Ganztagskonzept der Schule beruhe auf diesen Kooperationen. Schüler und besonders Inklusionskinder könnten derzeit Auszeiten auf den Spielplätzen und in der grünen Umgebung nehmen, sich dort mit dem Schulhund aufhalten, im benachbarten Else-Park würden im Biologieunterricht etwa Insekten untersucht – all das würde wegfallen. „Eine Schule besteht nicht nur aus einem Gebäude, sondern aus einem Konzept“, so Torsten Peters. „Das für eine bestehende Schule neu zu entwickeln, ist viel Arbeit und nicht in einem Jahr zu schaffen.“ Peters und Geßner ärgern sich, dass pädagogische Argumente in der bisherigen Diskussion keine Rolle spielten. „Wir sind die pädagogischen Experten, wir haben einen Blick auf die Schüler.“
Pommes und Shoppen,
aber kein Grün
Der Schulleiter weist darauf hin, dass der Regierungspräsident die Stadt aufgefordert hat, neuen Schulraum zu schaffen. „Das passiert nicht durch einen Umzug der Else.“ Neuer Schulraum würde durch den Neubau einer weiterführenden Schule in Wichlinghausen geschaffen – dafür gibt es ebenfalls einen Entwurf. Da eine neue Schule zuerst mit der untersten Klasse beginnt und dann wächst, schlägt Torsten Peters vor, dass die Else die anfangs leer stehenden Räume nutzt, während ihr Gebäude saniert oder abgerissen und neu errichtet wird. Für einen Neubau ihrer Schule am alten Standort seien sie durchaus offen.
Eine kleine Umfrage unter Schülerinnen und Schülern brachte ein gemischtes Bild. Die Möglichkeiten in der City sieht etwa Tareq (16) positiv: „Da gibt’s Pommes und McDonald’s.“ Behzad (16) sieht das anders: „Ich find’s nicht cool, wir sollten hierbleiben. In der Stadt ist es lauter, man weiß nicht, wo man die Pause verbringen soll.“ Eine Schülerin (14) freut sich aufs Shoppen in der Stadt, eine andere (14) befürchtet, dass der Schulweg länger wird. Eine 13-Jährige ist überzeugt: „Die Galeria ist viel zu klein.“ Ihre Mitschülerin (14) sorgt sich: „Dann kann man ja nicht mehr nach draußen gehen, weil es nicht grün ist.“
Sonja (14) sieht vor allem den Sanierungsbedarf: „Seit ich in der fünften Kasse bin, warten wir, dass renoviert wird.“ Einen dauerhaften Umzug findet sie „nicht schön, aber okay.“ Jannick (15) warnt, dass Schultraditionen kaputtgehen, weil jetzt „vieles in der Nähe“ sei. Und Milan (15) fragt sich: „Wo sollen die Eltern parken? Was ist, wenn vom Schulhof ein Ball runterfällt und jemanden trifft?“
GEW für Abriss und
Neubau am Standort
Die Schülervertretung hat auch Argumente gegen den Umzug gesammelt, auf die Schulleiter Torsten Peters hinweist: Dazu zählen etwa Verlust der Geschichte der Schule, die jetzt an der Else-Lasker-Schüler-Straße und am Else-Park liegt, fehlende Ausgangsmöglichkeiten in den Pausen, „Verführung“ durch Geschäfte, Potenzial für Ärger mit den Geschäften, Kontakt zu Drogen und Höhenangst.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) schließt sich der Schulleitung an: „Wir begrüßen die Initiative für mehr Schulraum, teilen aber die Bedenken der Schulleitung“, erklärt Richard Voß vom Leitungsteam der GEW. „Wir sind dafür, dass die Else abgerissen und am Standort neu gebaut wird, wo sie in das Umfeld eingebettet ist.“
Dilek Engin, schulpolitische Sprecherin der SPD im Landtag und ehemalige Lehrerin der Schule, fordert, den Vorschlag des Umzugs „mit Bedacht und Sensibilität“ zu prüfen. Bildungsexperten und Lehrkräfte könnten „am besten beurteilen, ob ein solcher Standort die Bildungsziele unterstützen kann“. Sie fordert den Oberbürgermeister auf, die Schule in die Entscheidung einzubeziehen: „Nur durch eine enge Zusammenarbeit aller Beteiligten kann eine tragfähige Lösung gefunden werden.“
Schulleiter Torsten Peters und das Kollegium hoffen darauf, dass ihre Argumente in anstehenden Gesprächen mit der Stadtspitze überzeugen. Mit dem Ratsbeschluss von vergangener Woche kann die Stadtverwaltung die Optionen für Schulanmietungen konkreter planen. Am 1. Juli soll der Rat dann entscheiden, ob etwa die Else in den Kaufhof umziehen soll.