Was glauben Sie denn? Demut ist angesagt

Wuppertal · Martin Hamburger erinnert daran, dass die Menschen ihr Leben letztlich nicht in der Hand haben.

Martin Hamburger

Foto: Bettina Osswald, Wuppertal_0160/Bettina Osswald_www.photographie

Die letzten Monate haben uns intensiv gezeigt: Wir Menschen haben unser Leben letztlich nicht in der Hand. Es reicht ein kleiner Beginn auf einem asiatischen Fleischmarkt – und die Welt wird eine andere – und mit ihr ändern sich die Lebensverhältnisse für alle Menschen überall auf diesem Planeten. Jede und jeder ist auf seine Weise von den Auswirkungen der Pandemie betroffen: Zuhause und im persönlichen und beruflichen Umfeld, in seiner Stadt, seinem Land, seinem Kontinent. Wie sieht das für uns in Wuppertal aus? Wie lautet meine, wie Ihre persönliche Bilanz nach über vier Monaten Corona?  Denken Sie doch einmal einen Moment darüber nach …

Vor langer Zeit schrieb einer der ersten, die in Jesus den Gesandten Gottes erkannt hatten, an die Christinnen und Christen in Ephesus, dem heutigen Selcuk in der Türkei: „Wir sind Gottes Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, dass wir darin leben sollen.“ (Paulus im Epheserbrief der Bibel, Kapitel 2, Satz 10)

Mich macht dieser Satz demütig – entschuldigen Sie bitte das altertümliche Wort, aber mir fällt kein besseres ein. Wikipedia, der moderne Duden, beschreibt Demut so: „Der Demütige erkennt und akzeptiert aus freien Stücken, dass es etwas für ihn Unerreichbares, Höheres gibt.“

Das „aus freien Stücken“ ist mir dabei wichtig, denn jeder muss selbst diese Lebensveränderungen durch Corona für sich bewerten. Sicher helfen uns dabei andere, wir müssen das Rad nicht neu erfinden, aber die Bandbreite der Deutungsangebote ist schon groß, von der Verschwörungstheorie, Bill Gates wolle allen Menschen einen Chip einpflanzen, bis zu christlichen Gemeinden, die in engem Raum lauthals Gott loben und meinen, so den Virus zu neutralisieren – Fehlanzeige, wie wir immer wieder hören.

Wir nehmen in diesen Coronazeiten gesellschaftliche Veränderungen wahr. Manche mit laut geäußerter Angst, manche einfach still beobachtend. Driftet die Gesellschaft weiter auseinander, in Arme und Reiche, in Rechte und Linke? Hat die Politik die richtigen Antworten parat: In der Welt, unserem Land, unserer Stadt? In knapp zwei Monaten sind in unserer Stadt Kommunal- und OB-Wahlen. Wem vertrauen wir die Geschicke Wuppertals an?

Ich halte mich bei der Deutung der letzten Monate und der Vorbereitung auf die nächsten Monate und Jahre an den Satz von Paulus: „Wir sind Gottes Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, dass wir darin leben sollen.“ Und dabei hilft mir die Demut. Was hat diese Zusage, dass wir alle als Menschen in Christus zu guten und eben nicht zu bösen Werken geschaffen sind und darin leben, in den letzten 2000 Jahren nicht schon alles überstanden: Völkerwanderungen, Kreuzzüge, Pest und Cholera, große politische und weltanschauliche Veränderungen, imperialistische Politik auf allen Kontinenten – doch das Gute, zu dem wir geschaffen sind, ist nicht klein zu kriegen. Das Gute lebt, resistenter als jeder Hass und jeder Keim. Und wir erleben es vor unserer Haustür, in unsere Stadt: Nächstenliebe, Achtsamkeit unter der Frage: Was braucht der andere? Eben kein Egoismus. In der Diakonie können wir ein Lied davon singen.

Und das heißt für mich auch: Ich kann nicht alles erklären oder vorhersagen, aber ich habe einen Leitfaden, der auch in Coronazeiten nicht reißt: Gott hat uns geschaffen zu guten Werken.