Freies Netzwerk Kultur Wuppertaler Kulturkolumne: Bande der Kunst für den Frieden

Wuppertal · Uta Atzpodien schreibt über die Von der Heydt-Kunstpreis-Gewinnerin Susanne Kessler.

Uta Atzpodien.

Foto: Ralf Silberkuhl

Linien, Fäden, Kordeln, Drähte ziehen, verknäulen, verbinden sich quer durch den Raum: Tief in mir breitete sich eine berührende Erinnerung aus: an eine Ausstellung der bildenden Künstlerin Susanne Kessler vor vielen Jahren in der Galerie Epikur. „Heimatforschung, die statt Abgrenzung Interaktion im Blick hat“ heißt es bei Nachrecherche in einem Katalogtext zu Kesslers Werk: „Kunst als Möglichkeitsraum“.

Letzten Sonntag hat die in Wuppertal geborene, hier verwurzelte, in Rom und Berlin lebende und weltweit arbeitende Künstlerin den Von der Heydt-Kunstpreis verliehen bekommen, von anregenden Laudationen begleitet: Der Förderpreis ging an die Musikerin Maria Basel, mit Verweis auf deren bewegenden Videoclip „Lioness“. Beide kraftvoll berührenden Künstlerinnen verbinden sich für mich, weisen Wege. Treffend für beide heißt es im erwähnten Text: „Aber das Eigene, das Fremde und das Noch-nicht-zu-Benennende nicht im Widerspruch zu begreifen und bereichernde Kulturerfahrungen gegenüber kulturellen Distanzen zu betonen, ist der Künstlerin ein anhaltendes Bedürfnis“. „Den Künstlerinnen“ ergänze ich, denn beide knüpfen für mich Bande für den Frieden.

Warum Frieden? Die Ereignisse weltweit sprechen für sich. In der Citykirche neben der Altarbühne stand eine Tafel mit „Gebet für Frieden“. Nach der Preisverleihung fragte mich ein hiesiger Kunstschaffender: „Was braucht es, damit weltweit wieder mehr Frieden entsteht? Menschen aufeinander zugehen, Lösungen finden, sich einigen?“ Welche versöhnende Rolle Kunst und Kultur spielen können, formulierte letzte Woche schon Torsten Krug in seiner Kolumne.

Am letzten Freitag bekamen bei „Literatur auf der Insel“ über den kraft- und humorvoll faszinierenden und aus dem Irak stammenden Autoren Abbas Khider die Perspektiven einen Weltklang. Seine sich zwischen Erinnerung und Fiktion, Krieg und Heilung rankenden Geschichten machen erfahrbar, welche ungehobenen Schätze in der kulturellen Vielfalt liegen, in all den Lebensgeschichten. So viele Menschen haben Schmerz und Traumata auf ihrem Lebensweg zu verdauen, auszuhandeln, zu verwandeln. Über Generationen hinweg betrifft es so viele, auch unsere Kriegsenkelgeneration.

Mutige Aushandlungsprozesse sind gefragt: Das „Zukunftslabor Kunst & Stadt“ wurde jüngst zur „Versuchsanordnung II“ ins entstehende Pina Bausch Zentrum geladen. In der Petrischale der gemeinsamen Reflexion sammelten sich Erfahrungen und Ideen, die Wege weisen können hin zu einer vielerorts noch uneingelösten Zukunftsfähigkeit: Diversität leben und integrieren, wie es der Kulturkindergarten praktiziert, junge Menschen als Rat aktiv einbeziehen, am besten mit dreifachem Stimmrecht, um der betroffenen nachwachsenden Generation den ihr angemessenen Raum zu geben und einfach überall Kulturgärten zu pflanzen, die der immer noch versiegelten Stadt mehr Luft zum Atmen geben können. Räume, Strukturen und Empowerment dafür stehen nach wie vor an: Da ist noch viel zu tun!

Kulturelle Bildung und künstlerische Interventionen beflügeln intrinsisch unser Stadtlabor enorm: Mit „Moving Spaces“ spannten sich tanzende Fäden am letzten Wochenende vom CoWerk18 in der alten Knopffabrik in der Alrichstrasse hin zur TanzStation im Barmer Bahnhof: entwickelt und koordiniert vom Tanz Station-Team, mit künstlerischen Impulsen, Tanz, Tanzfilm, Performance und Austausch. Ja, lasst uns weiter Bande der Kunst spinnen und weben, samt „Denkräumen“, wie Susanne Kessler ihr Werk selbst nannte: für Frieden, Menschlichkeit und ein Zuversicht gebendes Miteinander. Wir alle, samt (Kultur-)Politik, Verwaltung, Wissenschaft, Wirtschaft, sind gefragt, hier mutig wirksame Wege zu ebnen.

 

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