Freies Netzwerk Kultur Wuppertaler Kulturkolumne: Das Spiel mit der Kunst ganz neu anpfeifen

Wuppertal · Für einen breitensportlichen Ansatz und das Fair-Play von Amateuren.

Tine Lowisch.

Foto: CLAUDIA SCHEER VAN ERP

Anfang dieses Jahres erhielt die weiße Fair-Play-Karte im Fußball den Ritterschlag. Vormals im Freizeitfußball als Teil eines Bewertungssystems von Ethik im Sport verwendet, kam sie 2023 zum ersten Mal ganz oben im Profi-Fußball zum Einsatz: Beim Frauen-Pokal-Stadt-Derby zwischen Sporting-Lissabon und Benfica. Wenn die Kultur-Maschine Fußball diesen Quantensprung schafft, dann gelingt es der Kunst-Maschine vielleicht irgendwann einmal auch, Fairness zu bewerten.

Museen zum Beispiel sollten niemals unsportlich oder ungerecht sein, denn genauso wie im Sport sollte es in der Kunst immer auch um die objektive Einordnung von Leistungen gehen. Diese besteht in der Kunst allerdings darin, es überhaupt zu schaffen, mitzuspielen – also in den Kanon aufgenommen zu werden. Wer Profi-Sportler oder Profi-Sportlerin wird und ist, entscheiden Trainer, Talent-Scouts, die Verbände und die Werbepartner als potente Geldgeber oft mit der Stopp-Uhr, dem Maßband oder mithilfe anderer international geltender Spielregeln mit mathematischer Grundordnung.

Wer in den professionellen, den ersten Kunstmarkt aufgenommen wird, wer also von seiner Kunst gut leben kann, entscheiden persönliche Beziehungen zu Akademieprofessoren und -professorinnen, zu Kuratoren und Kuratorinnen von Museen, Galerien und Kunstvereinen oder -verbänden. Manchmal auch noch zu Kunstkritikern und Kunsthistorikerinnen. Und natürlich hilft die professionelle Vermittlung von Kunstprodukten an Sammler und Sammlerinnen, die sich weltweit als wirkmächtige Bubble auf Kunstmessen einen Überblick über nachwachsende Talente verschaffen, auf die sie setzen wollen. In dieser hermetischen Kunst-Welt sind die Spielregeln nur sehr schwer zu verstehen und noch viel weniger zu berechnen, also im Grunde nicht vergleichbar.

Welcher Kunst und welchen Kunstschaffenden es gelingen wird, den aktuellen Zeitenwendepunkt zu markieren, ist im Moment unklar und interessiert tatsächlich nur sehr wenige Menschen, obwohl spektakuläre Meldungen über unvorstellbar hohe Erlöse auf Kunstauktionen eigentlich schockieren sollten, setzen diese nur die Ikonisierung der Top-Player und ihrer Werke fort.

Und weiter? Bald schon werden Kunstwerke überhaupt nicht mehr stattfinden müssen, um in den Medien präsent zu sein. Es wird reichen, wenn sie im digitalen Raum als verschlüsselte Währung existieren. Wer da noch selbst malt, ist jetzt schon Anstreicher oder Plakatmaler, wer da noch selbst bildet, Arbeiter oder Handwerker. Die marktfähigen Kunstwerke unserer Zeit werden sich schon bald gänzlich vom Material gelöst haben, ohne jemals wieder zu verschwinden. Im Grunde ist jetzt genau der richtige Zeitpunkt, um dieses Spiel mit der Kunst noch einmal ganz neu anzupfeifen.

Um es nicht zu verlieren, sollte es wieder breitensportlicher werden. Damit die Kunst frei bleiben kann, braucht sie das Fair-Play von Amateuren. Wenn Elon Musk mit seiner Prognose irgendwann Recht behalten wird, dass wir den Faktor Arbeit als Menschen an die Maschinen verlieren, erproben wir am besten jetzt schon Beschäftigungsmodelle, wie der Mensch seine Zeit besser verbringt … ohne dabei stumpf, gelangweilt und in Folge immer gefährlicher zu werden. Für die Umsetzung der Vision, dass die Erträge der maschinellen Leistungen irgendwann einmal gerecht auf alle verteilt sein sollten, müssen wir natürlich, vor allem in Wuppertal, wegen der Theorien des Barmer Jungens Friedrich Engels sorgen. Erst dann könnte jeder Mensch ein Künstler sein. Gut beschäftigt, um sich nicht zu verlieren.

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