Im Katholischen Stadthaus Wuppertaler Literaturwissenschaftlerin referiert über Leben und Werk Erich Kästners
Wuppertal · Ein engagierter Kritiker bürgerlicher Doppelmoral.
„Es gibt nichts Gutes, außer: Man tut es“ – das Zitat des Schriftstellers, Journalisten und Lyrikers Erich Kästner war der Titel der Veranstaltung, die am Montagabend im Katholischen Stadthaus an der Laurentiusstraße stattfand.
Die Literaturwissenschaftlerin Jutta Höfel referierte 90 Minuten lang anschaulich und äußerst kurzweilig über Leben und Werk Kästners und schärfte dessen Bild mit einer Auswahl aus Texten, Essays, Briefen und Gedichten sowie mit profundem Wissen. „Mich freut das sehr, dass Kästner auf eine so große Resonanz stößt“, begrüßte Höfel die etwa 80 Gäste, die mehr über den Schriftsteller erfahren wollten, der vor 125 geboren wurde und vor 50 Jahren starb.
Sie stellte Kästner als Journalisten, Beobachter gesellschaftlicher Veränderungen und engagierten Kritiker bürgerlicher Doppelmoral und Herrschaftshörigkeit vor. „Seine Texte berühren aktuelle Themen und werden heute noch gelesen und verfilmt“ erklärte sie. Kästners Lebensdaten verknüpfte sie mit Gedichtrezitationen. Schnell wurde deutlich: Erich Kästner, geboren 1899 in Dresden, gestorben 1974 in München, war mehr als der Autor gern gelesener Kinderbücher wie „Emil und die Detektive“ (1929), Pünktchen und Anton“ (1931) oder „Das doppelte Lottchen“ (1949).
Der Sohn eines Sattlermeisters und einer Näherin wuchs in einfachen Verhältnissen auf, die sein Interesse an sozialen Fragen nachhaltig prägten. Das verdeutlichte Jutta Höfel mit dem Gedicht „Ansprache an Millionäre“, denen Kästner mit Ironie und Satire Egoismus vorwirft, und ein sozial ausgleichendes Verhalten vorschlägt: „Die Welt verbessern und dran verdienen – das lohnt, drüber nachzudenken“, heißt es da.
Lebenslanger Zorn auf Krieg, Militär und Rüstungsindustrie
Energie und Ehrgeiz seiner Mutter Ida richtete sich sehr stark auf das einzige Kind, das die Rolle des „Muttersöhnchens“ übernahm. Kästner nannte sich selbstironisch in dem Gedicht „Mein kurzgefasster Lebenslauf“ einen „patentierten Musterknaben“. Seinen lebenslangen Zorn auf Krieg, Militär und Rüstungsindustrie veranschaulichte die Referentin mit dem Gedicht „Kennst du das Land, wo die Kanonen blühen?“, das bis heute unzählige Male vertont wurde.
Jutta Höfel rezitierte die bissige Persiflage auf Goethes sehnsuchtsvolles Italien-Gedicht trocken, lapidar und ohne Pathos – genau richtig für Kästners Lyrik. Kästner wird zum wichtigsten Vertreter der Gebrauchslyrik, die er mit „kann man lesen ohne einzuschlafen“, kommentiert. An seinem 1931 erschienenen Großstadtroman „Fabian. Die Geschichte eines Moralisten“, schreibt er zehn Monate, „Pünktchen und Anton“ entsteht im gleichen Jahr in nur zehn Tagen.
Kästner lebt in Berlin, hat seine erste eigene Wohnung und Erfolg als Schriftsteller und freier Journalist. Höfel beschrieb sein „beinahe fieberhaftes Schreiben“. Dann erlebt er als Zuschauer, wie am 10. Mai 1933 auf dem Opernplatz in Berlin „begleitet von schmalzigen Tiraden“ auch seine Bücher verbrannt werden. Kästner bleibt in Deutschland. „Es ist für sie unbequemer, wenn ich bleibe“, sagt er. Er hat kein Schreibverbot, will seine Mutter nicht im Stich lassen, und er will Zeitzeuge sein. Jutta Höfel beschreibt sein „Überlebensglück“ in der Zeit des Nationalsozialismus. Kästner bleibt ein kritischer, verschmitzter Moralist, und er war „einer der klügsten Sprecher unseres Jahrhunderts“, wie sein Freund, der Schriftsteller Hermann Kesten, in seiner Grabrede sagte. „Er macht es uns leicht, ihn zu lesen. Er kommt uns entgegen“, sagte Jutta Höfel abschließend.