Veranstaltung Stadttour zu den Oasen der Wuppertaler Kunstszene
Wuppertal · Offene Galerien und Ateliers in Wuppertal lockten die Besucher.
Ereignisreiche Großgemälde, Bild gewordene Lyrik oder Fotos zum Zweimal-Hinschauen: Die Woga (Wuppertaler Offene Galerien und Ateliers) birgt stets ein Füllhorn an Entdeckungen. Auch Teil eins der diesjährigen Ausgabe (Osten, von Barmen bis Ronsdorf) bot viel Gelegenheit, Stile, Werke und deren Schöpfer zu finden – und auch ungeahnte Kunstorte.
Dutzende bildende Künstler bilden ein Netz aus besuchbaren Adressen, und wer mobil genug ist, kann auch sagen: Jedes Jahr zum Herbstbeginn lockt ein Kunst-Hopping durch die halbe Stadt. Wer vorab im Faltprogramm eine lose Route geplant hatte, konnte auch Gegenden neu kennen lernen, zum Beispiel das Wichlinghauser Quartier rund um die „Königsberger Höfe“. Unspektakuläre Gassen, ein Kramladen „Fundgrube“, aber auch schon mal Stuck an einer Fassade säumten den Weg zu jenen „Höfen“ – einem umfänglichen Baukomplex an der Wiescher Straße zum Wohnen und Arbeiten. Wo dann eine ganz andere, künstlerische Fundgrube warten sollte: Zehn auf dem streng strukturierten Areal ansässige Ateliers zeigten ihr Schaffen.
Mitunter verborgene Plätzchen entdeckt
Filigrane Gestalten formten sachte Szenen auf Druckarbeiten von Teresa Wojciechowskaja, die in den weiten Gängen hingen. Eine Heuschrecke oder einige Maikäfer hatte Anja Thams so präzise wie liebevoll gezeichnet. Natur gab es hier viel zu finden: Äpfel mehrerer Sorten, auch verfaulte oder angebissene, hatte Petra Wengerodt ästhetisch zu Collagen geformt. Einnehmend kamen die Gemälde von Frank Lederhose daher: So sorgsam wie stark die Farbwahl, in denen mal eine Savanne, mal das Gesicht eines Hundes erschien; auch Basketballer in Aktion waren vital in Acryl gebannt. Von ihm gab es auch Grundsätzliches zu hören, wenn man fragte, ob sein Werk „Klettern“ (eine Person auf einer Hängeleiter vor Gebirge) eine reale Vorlage habe: „Es gibt keine Kunst ohne Vorlage.“ Und Margarita Sprogies erzählte, wie sie Linol als bevorzugtes Druckmaterial für sich entdeckt hatte: „Es braucht keine Presse, man kann es auch zerschneiden.“
Ein zwar versteckter Ort wie die Galerie „Kunst-Stückchen“ war von dort im Grunde schnell erreicht, sofern man ihn in der Rödiger Straße denn fand. Hain bot der kleinen Sitzrunde bei Kaffee und Keksen eine Auswahl ihres künstlerischen Wirkens, das sie in den letzten 30 Jahren unter anderem schon an die Anna-Amalia- und Goethe-Akademie in Weimar geführt hatte. Von ihrer dortigen Schau stammte auch heute ein Teil ihrer Bilder: Je ein Gemälde war bildnerische Variation zu je einem Gedicht der Lyrikerin Gertrud Kolmar; Themen der von den Nazis ermordeten Jüdin wie Gefangenschaft fanden hier (bei aller Abstraktion) zu einleuchtender, berührender Visualität. Sonst gestaltet sie auch Heiteres, und für nächsten März plant sie eine Schau zum Thema „Wasser“, erzählte Hain bei einer spontanen Führung durch ihre Werkstatt im Hinterraum: mit Arbeitstisch und Regalen voll Farbpigmenten in Flaschen.
Wer Ernst machen wollte mit besagtem Hopping brachte dann vielleicht noch Energie für einen Sprung nach Heckinghausen auf. Dort war es das Beratungscafé „Hier & da“, wo Fotografien zum Hinschauen reizten. Philipp Helmich hatte auf seinen Fotos nicht nur prägnante Szenarien gebaut. Eine Frau mit knallbunten Ballons vor grauen Mauern war dabei, ein sportlicher Typ machte sich die Straße zur Bühne. Im Riesenformat zeigte er schon im Schaufenster einen kernigen Radfahrer mit Blumenstrauß – erst nach einer Weile erkannt war die raffinierte Perspektive: Die „Wand“, an der er lehnte, war schräg gedreht in Wahrheit der Asphalt. Exklusiv-wertig hingegen das Hotel „Amical“ am Rauental, das sich nicht nur heute auch als Kunstort versteht. An den Wänden des auffällig optik-verliebten „Kunst-Boutique-Hotels“ waren sogar mit „Banksy“ bezeichnete Bilder zu sehen. Wie am Empfang zu erfahren, verfügten sie über Echtheits-Zertifikate – verbunden mit dem Hinweis, neben der Identität des Künstlers sei auch unklar, ob nicht mehrere Personen dahinter steckten. Mindestens so erstaunlich stieß man auf Humphrey Bogart und Ingrid Bergman, porträtiert von Ellen Neugebauer und gezeigt in einem der Schlafzimmer. Einstrich-Bilder von Christine Mühlberger prägten das Ambiente der schicken Lounge-Bar „Il Padrino“.
Wem übrigens bei der Woga zuweilen in den Sinn kommt, dass es den Künstlern ja dort auch ums Verkaufen gehe, muss und darf: René Dietle in den „Königsberger Höfen“ hatte neben erwerbbaren Mini-Digitalgrafiken („Abfallprodukte“) Teile eines Großprojekts präsentiert, einer fiktionalen Landkarte, an der er seit Jahren zeichnet. Konnte man Einzelabschnitte kaufen? Niemals: „Unverkäuflich.“ Dietle, der selbst einen anderen Brotjob hat: „90 Prozent aller Künstler oder mehr können von ihrer Kunst nicht leben. Das ist so.“