Zooviertel Wuppertaler Märchenbrunnen: Ein romantischer Wohlfühlort

Wuppertal · Die Kunstgeschichtlerin Doris Lehmann von der Bergischen Universität über den Brunnen im Zooviertel.

Der Märchenbrunnen 1897.

Foto: gemeinfrei

Im Zooviertel in Wuppertal steht ein ganz besonderer Brunnen: der Märchenbrunnen. Die Kunstgeschichtlerin Doris Lehmann kennt sich bestens mit dem Bauwerk aus.

Der Märchenbrunnen wurde von den Zooviertel-Architekten Rudolf Hermanns und Kuno Riemann entworfen, die Märchenfiguren stammen von Wilhelm Albermann. Wer war dieser Bildhauer?

Der Märchenbrunnen heute.

Foto: UniService Transfer

Doris Lehmann: Wilhelm Albermann lebte lange als freischaffender Bildhauer in Köln, stammte aber gebürtig aus Werden an der Ruhr und hatte in Elberfeld seine Ausbildung als Holzbildhauer absolviert, bevor er die Berliner Kunstakademie besuchte. Seine Frau Maria, geborene Kesseler, mit der er viele Kinder hatte, stammte aus Elberfeld und war Tochter eines Fabrikanten. Albermann gründete eine produktive eigene Werkstatt und eine gewerbliche Zeichenschule, engagierte sich im Verein zur Förderung der Bildhauerkunst in Rheinland und Westfalen und übernahm darüber hinaus nicht nur Aufträge, sondern auch weitere Ehrenämter. Zu seinen vermutlich bekanntesten Arbeiten zählen der Jan von Werth-Brunnen auf dem Kölner Altermarkt und der Barbarossa in Sinzig. Für die Fassade der alten Kunsthalle in Düsseldorf entstanden die vier monumentalen Karyatiden als Personifikationen von Musik, Malerei, Bildhauerei und Baukunst. Heute stehen diese unweit des Ofenrohrs der Installation „Loch“ von Josef Beuys und dem Kom(m)ödchen. Verloren und darum fast vergessen oder heute weniger populär sind hingegen Albermanns Denkmäler für Kriegsgefallene, Kaiser Wilhelm I., Bismarck und Moltke. Im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde das Elberfelder Kriegerdenkmal für die Gefallenen der Kriege von 1864, 1866 und 1870/71, dieses war 1881 auf dem heutigen Laurentiusplatz, eingeweiht worden.

Kunsthistorikerin Doris Lehmann.

Foto: Doris Lehmann

Welche Märchenfiguren finden sich am Wuppertaler Brunnen?

Lehmann: Der Wuppertaler Märchenbrunnen zeigt vier oben rundbogig abschließende reliefierte Figurennischen mit Szenen aus Aschenputtel, Dornröschen, Schneewittchen und Rotkäppchen. Aschenputtel sitzt am offenen Fenster umgeben von Tauben, die ihr zu Hilfe kommen. Schneewittchen ruht im todesähnlichen Schlaf umringt von den sieben Zwergen. Dornröschen nähert sich der Prinz und Rotkäppchen befindet sich in Begleitung der sie ermahnenden Mutter und dem hinter ihr heranschleichenden Wolf. Darüber hinaus schmücken vier Einzelfiguren den Brunnen, die als plastische Zwickelfiguren in der Zone über den Szenen sitzen: Reineke Fuchs, der gestiefelte Kater, der Igel Swinegel, welcher im Wettlauf den Hasen überlistet, und König Nussknacker.

Bei der Einweihungsfeier 1897 sagte Regierungsbaumeister Hermanns in seiner Rede: „Der Brunnen zeigt die feinfühlige, edle, keusche Auffassung, welche vereint mit vollendeter Formgestaltung und reizvoller Gruppierung alle Albermann’schen Schöpfungen auszeichnet.“ Was meinte er damit?

Lehmann: Albermanns Werk würden wir heute dem romantischen Historismus zurechnen. Das Lob gilt der Sensibilität des Bildhauers für eine ansprechende Gestaltung, die generationenübergreifend Emotionen weckt und mit bildlichen Mitteln einen erzählerischen Zugang zu den beliebten Sujets bietet.

Der Brunnen hat die Kriege ganz gut überstanden, wobei jedoch einige Figuren schon vor 1932 abhandengekommen sind. Später drohte er dann doch zu verwahrlosen, und es war lange fraglich, ob er gerettet werden könnte? Wie kam es schließlich dazu?

Lehmann: Dass der Brunnen gerettet wurde, ist das Ergebnis von in Wuppertal gebündeltem Engagement und großer Hartnäckigkeit. Ausgehend vom Bürgerverein Sonnborn-Zoo-Varresbeck und der Grundschule Donarstraße bildete sich ein Arbeitskreis, dessen erfolgreiche Initiative die Restaurierung des Brunnens ermöglichte. Herzblut und viel Zeit wurden in das Projekt gesteckt, um endlich das nötige Geld zusammenzubekommen: Es konnten Fördermittel eingeworben werden, aber die reichten nicht. Mit dem Märchenbrunnenfest 2006 wurde eine eindrucksvolle Spendensammlung in Gang gesetzt. Wir können allen dankbar sein, die sich daran beteiligt haben.

Die verlorenen Brunnenfiguren wurden nach alten Fotos wieder originalgetreu rekonstruiert. Wie gelang das?

Lehmann: Für diese Rekonstruktionen waren tatsächlich die vom Bürgerverein gesammelten Fotos die wichtigste Grundlage, denn für die Nachformung der Figuren wurden historische Ansichten in bestmöglicher Qualität benötigt. Die Anwohner durchstöberten ihre Bestände ebenso wie Ebay und die Dissertationen zum Zooviertel und zu Wilhelm Albermann. Schließlich gelang einer auf digitale Bildhauerei spezialisierten Firma der Modellierungsprozess: In Detailarbeit am Computer entstanden passend zum Brunnen digitale 3D-Modelle, die in Absprache zwischen Künstlern und Bürgerverein verfeinert wurden. Ihre plastische Gestalt erhielten die Figuren dann mit 3D-Druckern. Nach der erfolgreichen „Sitzprobe“ vor Ort, also auf dem Brunnen, konnten die Modelle in einer Kunstgießerei abgeformt und als Aluminiumgusse in die heute sichtbare Form übertragen werden.