Campus Wuppertal Wuppertaler Psychologin Theda Radtke plädiert für einen bewussten Umgang mit dem Mobiltelefon

Wuppertal · Die Smartphone-Nutzung beeinflusst den Alltag, sowohl positiv als auch negativ.

Theda Radtke beschäftigt sich mit der Smartphone-Nutzung.

Theda Radtke beschäftigt sich mit der Smartphone-Nutzung.

Foto: Ja/ANNA SCHWARTZ

„Im Restaurant kann man es sehr schön beobachten“, sagt die Psychologin Theda Radtke, „dass Menschen oft das Handy nutzen, statt sich mit ihrem Gegenüber zu unterhalten.“ Diese Situation ist nur ein Beispiel von vielen und zeigt, welchen Einfluss das Smartphone mittlerweile auf unser Leben hat, denn wir verwenden es eigentlich immer. Laut einer Studie von 2020 benutzen es 85 Prozent während der Arbeit. Doch bemerkenswerter ist die Verwendung zu Zeiten, an denen das Gerät eigentlich Pause haben sollte. So nutzen es beispielsweise 55 Prozent zu Hause beim Essen, 30 Prozent beim Autofahren und selbst 29 Prozent beim Überqueren der Straße. Stellt sich die Frage: Ab wann wird die Nutzung des Smartphones zum ernsthaften Problem?

Theda Radtke leitet den Lehrstuhl für Gesundheitspsychologie und Angewandte Diagnostik an der Bergischen Universität. Zu einem ihrer Forschungsschwerpunkte gehört die Smartphone-Nutzung. Auch sie sagt: „Wir haben das Handy ja immer dabei und es beeinflusst unseren Alltag in allen Bereichen“. Das wiederum habe sowohl positive als auch negative Effekte.

Im Fall des Smartphones gibt es das Phänomen „Phubbing“, das Radtke so erklärt: „Der Begriff setzt sich zusammen aus den Worten ,phone’ von Smartphone und ,snubbing‘, welches das Gefühl der Verärgerung umschreibt, wenn man sich vor den Kopf gestoßen fühlt, weil jemand das Telefon in sozialen Interaktionen nutzt. Wenn ich mich also mit meinem Gegenüber unterhalte und dann plötzlich das Smartphone in die Hand nehmen würde, dann lasse ich meinem Gesprächspartner keine Aufmerksamkeit mehr zukommen.“

Das führe dann oft dazu, dass sich Menschen ausgeschlossen fühlten, es setze negative Emotionen frei und das wiederum könne Beziehungen negativ beeinflussen. Viele Menschen empfänden es als eine Art der Unhöflichkeit und dies mache das Thema daher auch sehr aktuell.

In einer Studie hat sich Radtke dezidiert mit dem Smartphone und dessen Auswirkungen auf Liebesbeziehungen beschäftigt. Kann also unser Handy ein Beziehungskiller sein? „Das würde ich so nicht formulieren“, erklärt die Wissenschaftlerin, „weil das bedeuten würde, dass das Handy nur negativ ist“. Viele Menschen hätten sich gerade auch über das Smartphone kennengelernt, Dating-Apps seien sehr populär.

Auf der anderen Seite gäbe es aber auch Paare, die darüber berichten, dass sie das Smartphone in der Beziehung störe. „Ein Beispiel wäre dazu die Situation am Esstisch. Man will eigentlich essen und der Partner nimmt das Smartphone in die Hand. Interessant ist“, erklärt die Psychologin, „dass sich eher die Frauen als die Männer gestört fühlen, wobei es tatsächlich die Frauen sind, die das häufiger tun. Und es gibt dann Tendenzen, die zeigen, dass der Partner das dann eher imitiert. Also der Mann macht es dann einfach nach. Und wenn dies zum Konflikt wird, kann es dazu führen, dass sich Paare weniger nah fühlen, weniger sexuell zufrieden sind, weniger Intimität vorhanden ist“.

Die Angst, etwas zu verpassen

Das Smartphone einfach einmal wegzulegen, fällt vielen Menschen schwer, da sie Angst davor haben, etwas zu verpassen. Das Phänomen nennt sich in der Fachwelt „fear of missing out“, kurz Fomo, und umschreibt die Befürchtung, dass wir Informationen, Ereignisse, Erfahrungen oder Entscheidungen, die das eigene Leben verbessern könnten, verpassen, wenn wir uns nicht ständig informieren. Um einem Konflikt in diesem Fall strategisch auszuweichen, rät die Fachfrau zu festen Zeiten fürs Smartphone.

Für ihre Studie suchte Theda Radtke Paare aus, für die das Smartphone irgendeine Art von Konflikt auslöste und erklärt: „Von diesen Paaren durfte immer nur ein Partner teilnehmen. Wir haben dann eine randomisierte Studie gemacht (unter einer Randomisierung versteht man ein Verfahren, mit dem die Teilnehmer per Zufall einer Gruppe – Kontrollgruppe oder Experimentalgruppe – zugeordnet werden. Anm. d. Red.), bei der es zwei Bedingungen gab. In der einen Bedingung haben die Personen von uns Hilfestellungen bekommen, wie man besser mit dem Smartphone in sozialen Interaktionen umgeht. Und dazu sollten sie Pläne aufstellen.“

Die Fachleute nutzten eine Strategie in der Psychologie, die man Implementation Intentions (Strategie zur Selbstregulation) nennt. „Dabei soll man ganz konkret aufschreiben, wann, wo und wie man das Telefon beiseitelegt, wenn man mit seinem Partner zusammen ist. Also beispielsweise, wenn man den Abend zusammen verbringt, dann legt man sein Smartphone in einen anderen Raum und schaltet es auf lautlos, oder benutzt es auch erst wieder am folgenden Tag.“

Mag die Nutzung bei der Bahnfahrt unter vielen Menschen in Ordnung sein, so kann man im privaten Bereich damit anders umgehen. Dazu müsse man aber ganz konkrete Situationen, in denen das Gerät störe, erst einmal identifizieren, um individualisierte Strategien zu entwickeln, die diesen Konflikt reduzieren können. „Diese Personen haben wir dann über ein paar Wochen begleitet und dann geschaut, ob sich etwas verbessert hat. Und es scheint diesen Effekt gehabt zu haben, sodass wieder mehr Nähe entstehen konnte.“

Eine wichtige Voraussetzung für ein sich änderndes Verhalten ist der bewusste Umgang mit dem Smartphone. Dennoch reiche es aus psychologischer Sicht nicht aus, sich über das Problem bewusst zu werden und eine Intention zu haben, etwas anders zu machen, sondern man müsse diese Intention auch in Verhalten übersetzen.

Daher brauche man diese ganz konkreten Pläne, die die Teilnehmer auch mit sich führen sollten, um sie ständig vor Augen zu haben. Selbst wenn man das Handy plötzlich dringend brauche, könnten diese Selbstregulationsstrategien helfen, danach wieder zum ursprünglichen Plan zurückzukehren.