Religion Wer auf dem Jakobsweg pilgert, kann auch im Wuppertaler Kloster Beyenburg übernachten – und sich selbst wiederfinden
Wuppertal · Ordensbruder Dirk betreut die Pilger und erzählt im Gespräch mit der WZ von seinen Erlebnissen.
Vor sechs Jahren kam Jannik ins Kreuzherren-Kloster in Beyenburg. Er stammt aus Dänemark und war von dort mehrere tausend Kilometer nach Wuppertal gepilgert. Schließlich gehörte das Kloster zur Route des Jakobswegs. Jannik war 26, Finanzbroker und am Ende. Nicht nur wegen der Strecke, sondern durch sein Leben. „Suizidgedanken“, erinnert sich Ordensbruder Dirk, der die Pilger betreut. Er blieb ein paar Tage, sie kamen ins Gespräch. Um ihn wieder auf den rechten Pfad zu bringen – mit der Aufgabe, „die Welt heller zu machen.“ Jannik begab sich daraufhin auf den Weg weiter nach Frankreich und Spanien, um schließlich Santiago de Compostela zu erreichen, wo sich das Grab des Apostels Jakobus befindet. „Als er ging, habe ich Rotz und Wasser geheult“, sagt Bruder Dirk.
Während der Reise blieb er per Telefon mit ihm in Kontakt. In einer Kirche in Südfrankreich habe Jannik ein Erweckungserlebnis gehabt: „Er erzählte mir, dass er eine Stimme gehört hat, die zu ihm sagte: ‚Ich habe einen Plan für dich’. Dann sei die ganze Kirche in Licht explodiert. Er rief mich in Panik an und fragte: Kann es sein, dass ich Gott begegnet bin?“ Die Reise veränderte sein Leben. Mit seiner Frau kaufte er einen Bauernhof, betreibt nun Landwirtschaft und hält Kleinvieh. „Ein- bis zweimal im Jahr kommt er mich besuchen“, sagt Bruder Dirk und zeigt ein Fotobuch, das Janniks Reise dokumentiert. „Sie sind mein Mond, der mich durch die Dunkelheit begleitet“, steht unter einem Bild, das den damals 26-Jährigen mit dem Kreuzherren zeigt.
Das Kloster Beyenburg bildet einerseits das Ziel des Westfälischen Jakobswegs, andererseits den Beginn der Bergischen Fortführung. Die Strecke verläuft von Wuppertal über Remscheid und Wermelskirchen zum Altenberger Dom in Odenthal weiter über Köln nach Kerpen, Düren und Kornelimünster bis nach Aachen zum Kaiserdom.
Bruder Dirk bekocht und bewirtet die Pilger
Die Saison startete im März, „etwa zwei bis drei Pilger kommen pro Woche.“ Am interessantesten seien diejenigen, die aus einem triftigen Grund laufen. „Depression, Burnout, Sinnsuche, mit diesen Menschen kann ich am besten arbeiten. Und es ist erstaunlich, wie verändert sie zurückkommen.“ Bruder Dirk kocht und bewirtet sie. „Am liebsten mache ich Kartoffelpüree mit Sauerkraut und Mettwurst, mit Zwiebeln angebraten und Käse überbacken. Ich habe auch immer Aufbackbrötchen in Reserve.“ Drei Gästezimmer stehen zur Verfügung, die früher von den Kreuzherren bewohnt wurden. Christus, Engel, Kerzenleuchter schmücken Wand und Tische. Ein Gästebuch liegt bereit. „Es gibt Menschen, denen man begegnet und sich sofort geliebt, geachtet und angenommen fühlt“, schrieb Diana aus Bremen im Jahr 2017. „Genauso ging es mir mit Dir, lieber Bruder Dirk, wie nach Hause kommen.“
Er sei ein besonderer Mensch, weiß auch Hans-Willi Oberlis, Vorsitzender der Lenneper Pilgerfreunde. „Wenn man mit ihm ein Gespräch führt, geht man schon ein Stück geläutert bis nach Altenberg.“ Alle Klöster am Pilgerweg hätten eine größere Bedeutung, „weil sie Vertrauen schaffen“, so Bruder Dirk. „Den Mitarbeitern eines Hotels erzählt man schließlich nichts.“ Durch das Gehen würden viele Fragen nach oben geschwemmt „und dadurch entstehen neue Lösungen.“ Wer das Pilgern selbst anstrebt, für den hat Hans-Willi Oberlis einige Ratschläge. Er weiß, wovon er spricht, zumal er 2016 auch den gesamten „Camino Francés“ ging, den berühmtesten Jakobsweg, der 800 Kilometer durch Spanien führt – von den Pyrenäen bis nach Santiago de Compostela. „Es ist eine große Herausforderung, gerade, wenn es durch die Hochebene im Landesinneren geht, kein Baum, kein Strauch, es ist heiß, da wird einem anders“, erzählt der 78-Jährige. „Oder drei Tage Dauerregen, man wird gar nicht mehr trocken. Aber ich bin weitergegangen, auch wenn alles wehgetan hat.“ Der Bergische Jakobsweg hingegen ist etwas moderater: In Wanderportalen wird sein Schwierigkeitsgrad als „mittel“ bezeichnet. Er hat eine Gesamtlänge von rund 156 Kilometern und benötigt eine durchschnittliche Wanderzeit von 42 Stunden. Dabei werden 1400 Höhenmeter überwunden.
„Die Norm sind Tagesetappen von 20 bis 25 Kilometern. Man kann sich daran orientieren, dass man etwa vier Kilometer pro Stunde geht, dann also ungefähr fünf Stunden unterwegs ist, plus Pausen“, sagt Oberlis. Für Einsteiger empfiehlt er zum Beispiel den Röntgenweg, einen 60 Kilometer langen Wanderweg rund um Remscheid. „Den kann man in drei Etappen à 20 Kilometer aufteilen und einen Vorgeschmack vom Pilgern bekommen.“ Beim nächsten Mal gibt es dann einen Stempel. Und bei Bruder Dirk den Pilgersegen. Denn, so heißt es im Matthäus-Evangelium: „Ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende.“