Europa-Wahl „Erwachsene unterschätzen uns“

Junge Wuppertaler interessieren sich durchaus für Politik und wollen sich an der Europawahl beteiligen, wie sich bei der lebhaften Diskussion mit der WZ zeigte.

 Die engagierten Schüler der Gesamtschule Else Lasker-Schüler Raya Hartmann, Samuel Felstau, Dilan Temurlenk, Ekaterina Maslova, Stefan Todorovic, Erhan Yigit und Aslihan Ahsen Soytürk (v. l.) diskutierten mit Lehrer Silvio Geßner (r.) und WZ-Redakteurin Claudia Kasemann (Mitte).

Die engagierten Schüler der Gesamtschule Else Lasker-Schüler Raya Hartmann, Samuel Felstau, Dilan Temurlenk, Ekaterina Maslova, Stefan Todorovic, Erhan Yigit und Aslihan Ahsen Soytürk (v. l.) diskutierten mit Lehrer Silvio Geßner (r.) und WZ-Redakteurin Claudia Kasemann (Mitte).

Foto: Fischer, Andreas H503840

Politikverdrossenheit, Desinteresse oder gar Wahlmüdigkeit: Keine Spur davon bei den sieben jungen Wuppertalern der Gesamtschule Else Lasker-Schüler, die gemeinsam mit ihrem Lehrer Silvio Geßner und der WZ über die anstehende Europawahl diskutierten. Spontan und freiwillig hatten die Elf- und Zwölftklässler die Einladung zum Gespräch angenommen, in dem schnell klar wurde: „Europa geht uns alle an“, wie Schüler Samuel Felstau betont. Deshalb wollen er und seine volljährigen Mitschüler sich selbstverständlich an der Wahl am 26. Mai beteiligen.

Klima: „Es geht um unser
Leben und unsere Zukunft“

Die Gründe dafür sind vielfältig: „Mir geht es darum mitzubestimmen, wer in Europa das Sagen hat“, sagt Samuel Felstau. Bei ihm seien es vor allem familiäre Vorbilder wie seine Mutter, die ihn für Politik interessiert hätten. Auch in den Familien von Aslihan Ahsen Soytürk und Dilan Temurlenk werde die europäische Lage lebhaft diskutiert: „Das bekommt man natürlich mit und interessiert sich ebenfalls.“

„Ich habe auf jeden Fall vor, zur Wahl zu gehen“, kündigt Stefan Todorovic an, „bin mir aber noch nicht sicher, für wen ich mich entscheiden werde. Da muss ich mich erst noch informieren.“ Einen Beitrag dazu leiste der Schulunterricht, sagt Lehrer Silvio Geßner: „Wir können nicht erwarten, dass alle jungen Menschen durch ihr Elternhaus eine breite und objektive politische Bildung erhalten.“ Da habe Schule die Aufgabe, demokratisches Bewusstsein zu verschaffen, „das Stammtischparolen kritisch gegenüber steht“. Politikunterricht müsse kontrovers und tagesaktuell sein, um bei Jugendlichen anzukommen. An der „Else“ habe das Interesse an Politik stark zugenommen. „Die jungen Menschen wollen politisches Handeln verstehen lernen und sich ihre Meinung bilden“, so Geßner, „ich finde es hervorragend“.

Klima, Natur und Umwelt halten die Schüler für besonders wichtige Themen, dabei spielten die Fridays for Future-Demonstrationen selbstverständlich auch eine Rolle: „Natürlich, es geht um unsere Zukunft“, betont Ekaterina Maslova. Sie würde ebenfalls gern zur Urne gehen, doch momentan sei das ihrer russischen Staatsbürgerschaft wegen noch nicht möglich, bedauert sie.

Die Bewegung um die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg werde bestimmt einen Einfluss auf das Wahlverhalten junger Leute haben, da sind sich die Gesamtschüler sicher, denn in Sachen Umwelt stehe es „ganz kurz vor knapp“, sagt Dilan Temurlenk zu Problemen wie Plastikmüll, Verschmutzung der Meere oder Verschwendung von Ressourcen.

Zweifel an der Kompetenz junger Leute, wie sie zuletzt im Zusammenhang mit dem Thema Klima von Politikern wie Christian Lindner geäußert wurde, ärgern die Schüler: „Es geht hier um unser Leben und das unserer Kinder“, sagt Raya Hartmann, die sich wie ihre Mitschüler wünscht, von den Älteren ernster genommen zu werden. „Erwachsene unterschätzen uns oft“, haben auch Samuel Felstau und Ekaterina Maslova bei der Wahrnehmung junger Leute in Sachen Politik festgestellt, „sie denken, wir haben wichtige Themen nicht auf dem Schirm, doch das stimmt nicht.“

Natürlich gebe es auch Mitschüler und Freunde, die sich kein bisschen für Politik und Wahlen interessierten - dafür zeigen die engagierten Gesamtschüler wenig Verständnis und berichten, dass sie ihre Altersgenossen im Gespräch gelegentlich sogar ermahnen, sich besser zu informieren - das sehen sie durchaus als Pflicht an: Politische Bildung müsse dringend verbessert werden.

Neben Klima und Umwelt interessiert die jungen Wuppertaler auch die Diskussion um Digitalisierung und das große Thema Flüchtlinge: „Integration ist sehr wichtig“, sagt Erhan Yigit. Es sei kritisch zu sehen, wenn die schiere Zahl der Menschen, die neu in Europa ankämen, die jeweiligen Möglichkeiten der Integration überstiegen.

Gefragt, welche Werte sie mit Europa verbinden, nennen die Gesamtschüler als Stichworte vor allem persönliche Freiheit, Meinungs- und Arbeitsfreiheit. Sie fordern außerdem eine bessere Zusammenarbeit der Europäer und wünschen sich, was Aslihan Ahsen Soytürk besonders am Herzen liegt: „Menschlichkeit und Mitmenschlichkeit über die Grenzen Europas hinaus.“