Konzertkritik Klangvielfalt, Dynamik und Emotionalität
Wuppertal · Das 6. Sinfoniekonzert stellt die beiden russischen Komponisten Reinhold Glière und Sergei Rachmaninow gegenüber. Ein Erlebnis.
Als Rezensent hat man es manchmal schwer, über ein Konzert zu berichten, wenn es nur Gutes zu berichten gibt. Da ist der wunderschöne Große Saal der Historischen Stadthalle mit einer beneidenswerten Akustik, es spielt das Sinfonieorchester Wuppertal, ein Klangkörper mit außergewöhnlich farbigem, hochmusikalischem Sound. Gastdirigent Gabriel Feltz dirigiert, entfaltet eine orchestrale Klangvielfalt, Dynamik und Emotionalität. Präsentiert wird ein Programm mit Beethoven, Rachmaninow und Glière, das den Musikkenner mitreißt.
Die Entdeckung der Konzert-Matinée ist der weitgehend unbekannte Komponist Reinhold Glière oder, wie er ursprünglich hieß, Glier. Er ist ein deutschstämmiger, in Kiew geborener Musiker, der seine Karriere überwiegend im kommunistischen Russland als angepasster und anerkannter Vertreter des „Sozialistischen Realismus“ bestritt.
Seine durchaus noch spätromantische Musik wird konfrontiert mit der des nur zwei Jahre älteren Sergei Rachmaninow, der wiederum ein entschiedener Gegner des kommunistischen Regimes war und in die USA emigrierte. Im Westen komponierte dieser ebenfalls Dur-Moll-tonal, wie sein fast gleichaltriger Kollege Glière, wurde aber eben wegen dieser rückgewandten Kompositionsweise von den Neutönern seiner Zeit wie Strawinsky missachtet.
Erwähnt werden muss auch Christoph Eß, einer der führenden deutschen Hornisten der jüngeren Generation. Er ist Solo-Hornist der Bamberger Symphoniker, Preisträger zahlreicher Wettbewerbe, macht Kammermusik, gastiert mit namhaften Orchestern wie dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. In Wuppertal spielte er das Hornkonzert B-Dur op.91 des deutschrussischen Komponisten Reinhold Glière. Seine Qualitäten: eine perfekte Anblastechnik, ein offener Klang, eine Tongestaltung, sauber intoniert bis in die tiefsten Töne, eine makellose Phrasierung und Bogenspannung. Die Kadenz des ersten Satzes klingt wie eine erzählte Geschichte.
Feltz holt das Optimum
aus den Musikern heraus
Er wurde von den Wuppertaler Sinfonikern einfühlsam unterstützt. Ein samtweicher Streicherklang, eine stets präsente Holzbläsergruppe, ein farblich äußerst variantenreicher Orchesterklang vom Pianissimo bis zum kraftvollen Fortissimo begeisterte das Publikum. Ebenso vielfältig war die Musizierweise.
Gabriel Feltz leitete den Klangkörper engagiert und detailversessen. Jede rhythmische wie klangfarbliche Nuance zeigte er achtsam an, das Orchester folgte großartig. Feltz forderte ein kontrolliertes Spiel, konnte aber auch die Zügel loslassen und ermöglichte dem Orchester eine grandiose Klangentfaltung. In Beethovens Leonoren-Ouvertüre Nr. 3 op. 72b präsentierte er ein stimmiges Konzept, lebendig interpretiert, mit aus der Ferne klingenden Trompetensignalen, mit einem emphatischen Finale und großartig strahlenden Hörnern.
In Rachmaninows Sinfonie Nr. 3 a-Moll op. 44 gelang es dem Orchester, die Anweisungen seines Dirigenten so kongenial umzusetzen, dass ein farbenreiches Klanggemälde entstand, mit kräftigen und zarten Farbwerten. Die Bildszenarien wechselten ohne Bruch.
Faszinierend, wie Feltz gestenreich mit ausladenden Bewegungen und leichten Handzeichen das Optimum aus den Musikern herausholte. Sei es der Dialog zwischen erstem Geiger und Klarinette und Flöte, sei es die atemlose Stille am Ende des zweiten Satzes, sei es die kraftvolle Dynamik des dritten Satzes: Feltz hat etwas zu sagen, jeder Bogenstrich, den er anzeigt, hat eine Bedeutung und steht für einen Ausdruck oder Klangfarbwert. Das furiose Finale wurde mit begeistertem Beifall belohnt.
Am heutigen Montag wird dieses Konzert um 20 Uhr in der Stadthalle wiederholt. Ein Besuch lohnt sich.