Portrait Wuppertaler Soldatin tauscht Beamtenkarriere gegen Uniform

Wuppertal · Aileen Tina Hufschmidt hat ein Buch über ihre Beziehung zur Bundeswehr geschrieben.

Aileen Tina Hufschmidt hat bei der Bundeswehr ihre Berufung gefunden.

Foto: Andreas Fischer

Situationship? Bundeswehr. So beschreibt Aileen Tina Hufschmidt die Beziehung, die sie zur Bundeswehr hat. Denn die 31-jährige Wuppertalerin hat ihren Beamtenstatus aufgegeben, um Soldatin zu werden. Über ihre Erlebnisse hat sie nun ein Buch geschrieben.

Doch noch mal zum Anfang. Situationship, was ist das? „Eine Situationship ist eine lockere, undefinierte Art der zwischenmenschlichen Beziehung, die weder als feste Partnerschaft noch als reine Affäre klassifiziert wird“, beschreibt es Wikipedia. Eine Situationship, eine Mischung aus „situation“ und „relationship“, beschreibt die Zeit vor dem altbekannten und klärenden „Was sind wir?“-Gespräch, um es mit Aileen Tina Hufschmidts Worten wiederzugeben.

Schon nach ihrem Abitur an der Gesamtschule Barmen im Jahr 2012 war für sie klar, dass sie in Richtung Zoll, Polizei oder Bundeswehr gehen möchte. Aber auch spannende Geschichten zu erzählen, habe sie gereizt. „Mein Papa sagte immer: ,Geh zur Bundeswehr, da war ich auch.‘“ Gesagt, getan. Und so begann sie ihre zivile Bundeswehrkarriere als Diplomverwaltungswirtin, wurde verbeamtet, machte fünf Jahre lang in Düsseldorf Marketing, ließ sich im Nebenamt zur Presseoffizierin ausbilden. Sie wollte eben Geschichten erzählen. Aber nicht nur aus der Ferne, sondern auch vor Ort. „Ich wollte in den Auslandseinsatz und verstehen, wovon die Soldaten sprechen und wollte mitreden können“, erzählt sie.

2020 meldete sie sich freiwillig für den Irak. Dafür lernte sie kulturelle Aspekte – eine Essenseinladung abzulehnen, gilt beispielsweise als unhöflich, ebenso wie wenn man seine Fußsohlen zeigt, zum Beispiel beim Übereinanderschlagen der Beine –, militärische Aspekte, wie den Umgang mit Sprengfallen und die Versorgung von Verwundeten sowie rechtliche Aspekte – beispielsweise wann eine Waffe eingesetzt werden darf, um sich oder einen Kameraden zu schützen. Auch Völkerrecht und Länderkunde gehörten zur Vorbereitung auf den Auslandseinsatz.

Als Presseoffizierin berichtete Hufschmidt von den Einsätzen im Irak vor Ort, stellte die Menschen im Einsatz vor, begleitete den Kontingentführer bei Terminen, kam mit Ortsansässigen ins Gespräch. „Da erfährt man viel“, sagt sie. Von ihrem Einsatz wurde sie überrascht. „Als ich gehört hab, dass es in den Irak geht, hatte ich das Bild einer trockenen Wüste vor Augen. Dann war ich da und konnte das Land sehen und war überrascht, wie schön es eigentlich ist.“

Ganz nebenbei erzählt sie von einem Raketenbeschuss, als wäre das nichts. „Ich lag abends im Bett, als es fünf Mal einen lauten Knall gab. Dann schrie auch schon jemand über den Flur, dass wir in den Bunker müssen. Ich musste meine Weste anziehen und meinem Helm aufsetzen und losrennen“, berichtet sie. Doch zitterten ihre Hände so sehr, dass sie den Helm nicht zu bekam. „Da musste ich erstmal tief durchatmen.“

Menschen reagieren
verschieden auf Bedrohungen

Zwar wird das Verhalten bei solch einem Angriff vorher geübt, „in dem Moment, in dem wirklich Panik ist, wird einem aber kurz anders.“ Zum Glück sei der Beschuss drei Kilometer entfernt gewesen. „Man merkt, wie unterschiedlich die Menschen reagieren. Manche haben angefangen zu weinen, manche haben gar nichts gesagt, manche haben ganz viel geredet.“

Angst vor dem Einsatz im Irak hatte Aileen Tina Hufschmidt nicht. Respekt, ja. „Ich war mir der Gefahr bewusst, aber Angst hätte mich gehemmt“, sagt sie. Am Ende zählte, dass ihr das Leben in Uniform und die Kameradschaft deutlich mehr Freude machten, als nur im Büro zu sitzen. So entschied sie sich 2021, die Beamtenkarriere an den Nagel zu hängen und dauerhaft gegen die Uniform einzutauschen und wurde Soldatin auf Zeit. Bis 2027 läuft ihre Dienstzeit.

Auf der Social-Media-Plattform Instagram nimmt sie seitdem ihre mittlerweile mehr als 38 000 Follower mit in ihren Alltag. Zunächst unter dem Namen @frauoberleutnant, mittlerweile als @diefrauhauptmann. Denn ihr Dienstgrad hat sich geändert.

Sei der Einsatz im Irak damals eine Ausbildungsmission gewesen – so wurden kurdische Peschmerga-Einheiten dazu ausgebildet, sich gegen den IS verteidigen zu können – fand sich Aileen Tina Hufschmidt im vergangenen Jahr in einer anderen Bedrohungslage in Litauen wieder – die Nähe zu Russland ist hier maßgeblich für das Sicherheitsgefühl. „Litauen ist ein normales europäisches Land, in dem man auch Urlaub machen kann. Es gibt da wunderschöne Orte“, sagt sie. Dort war sie ebenfalls als Presseoffizierin im Einsatz – Schulter an Schulter mit Soldaten anderer Nationen. „Dort erfährt man diesen Nato-Spirit“, sagt sie. Denn der Einsatz hatte unter anderem das Ziel, verstärkte Präsenz zu zeigen - als Abschreckung gegenüber Russland.

Gemeinsam ging
es nach Brandenburg

Aktuell arbeitet Aileen Tina Hufschmidt in der Öffentlichkeitsarbeit beim Kommando Heer in Strausberg hinter Berlin. Momentan hat sie beispielsweise ein Drehbuch für einen Spielfilm über die Bundeswehr auf ihrem Schreibtisch liegen, das sie prüfen muss – zum Beispiel, ob Dienstgrad und Alter der Protagonisten zusammenpassen und realistisch sind.

Ihr Mann ist ebenfalls Soldat, gemeinsam ließen sie sich nach Brandenburg versetzen. Jede zweite Woche pendelt Aileen Tina Hufschmidt jedoch nach Wuppertal, denn hier leben ihre Freunde und ihre Familie. Nebenher studiert sie noch Medien- und Kommunikationsmanagement. „Die Einsätze waren super fordernd. Da merkt man erst, was hinter dem Soldatenberuf steckt, merkt, wie viel man aufgibt und was das kostet – dass man Freunde und Familie wenig sieht“, sagt die 31-Jährige. Ein zweischneidiges Schwert. „Ein Nine-to-Five-Job wäre die bequemere Variante, aber ich liebe diesen Beruf einfach“, sagt sie. Andere hätten ihr gesagt, dass sie wahnsinnig sei, den Beamtenstatus auf Lebenszeit aufzugeben. „Aber manchmal hat mich das Beamtentum auch zur Verzweiflung gebracht. Ich wollte raus, Dinge sehen, über Menschen berichten.“

Und genau über dieses zweischneidige Schwert schreibt sie in ihrem Buch „Situationship? Bundeswehr“. Beim Storyteller Award von Thalia und Story One ist sie damit unter die Top Ten in der Kategorie „best stories“ gekommen. Eine Situationship – noch keine Beziehung, aber auch mehr als eine Affäre. Und die Bundeswehr, ist das was für immer oder nicht? „Am Ende sind wir weder zusammen, noch getrennt“, sagt Aileen Tina Hufschmidt. Im nächsten Jahr wird sich entscheiden, ob sie auch Berufssoldatin wird. Denn das Soldatsein, das hat sie überzeugt.