70 Jahre Grundgesetz Helene Weber: Frau der ersten Stunde

Gastbeitrag Die Elberfelderin galt als einflussreichste Frau der Union und ist eine der vier „Mütter des Grundgesetzes“.

Helene Weber, eine der „Mütter des Grundgesetzes“. Hinter ihr: der Präsident des Parlamentarischen Rates, Konrad Adenauer, während der Stimmzählung.

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„Es würde heute manches besser sein, wenn die Frau in den Verwaltungen mitarbeiten würde. Ich bin sogar der Meinung, dass sie in der Lage ist, Krisen zu verhindern und zu mildern, die sich immer wieder im öffentlichen Leben ereignen. Wir haben im Dritten Reich erlebt, was der Männerstaat ist. Der reine Männerstaat ist das Verderben der Völker!“

Mit diesen deutlichen Worten, die laut Parlamentsprotokoll „große Heiterkeit“ im Deutschen Bundestag auslösten, beendete Helene Weber am 2. Dezember 1949 ihre viel beachtete, „Unruhe und Widerspruch, aber auch viel Beifall“ hervorrufende Rede im Deutschen Bundestag. Dabei war die aus Wuppertal stammende Politikerin als eine der vier „Mütter des Grundgesetzes“ zunächst gegen den Gleichheitsparagraphen wie zwei andere auch. Sie wollte keine schematische Gleichmacherei, sondern den „Eigenwert“ der Frauen bewahrt sehen.

Zum 70. Geburtstag des Grundgesetzes soll auch an die unangepasste und engagierte Frauenrechtlerin, Netzwerkerin, Multiplikatorin, Frau der „ersten Stunde“, Trägerin des Bundesverdienstkreuzes mit Stern und ab 1961 mit Schulterband erinnert werden.

Dr. rer. pol. h. c. Helene Auguste Weber wurde am 17. März 1881 in der Elberfelder Südstadt geboren als zweites von sechs Kindern des katholischen Lehrers Wilhelm W. Weber und seiner Frau Agnes Christiane, geb. van Gent, eine gebürtige Niederländerin. Nach dem frühen Tod der Mutter kümmerte sich der Vater um die Kinder und legte großen Wert auf eine gute Schulbildung. So wurde eine Schwester von Helene ebenfalls Lehrerin, zwei Brüder Juristen.

Helene Weber wuchs in der Holzer Straße 19 in einer kleinbürgerlichen, konservativ-religiösen, aber weltoffenen Familie auf. Durch die politische Tätigkeit des Vaters als Vorsitzender der örtlichen Zentrumspartei kam sie früh mit politischen Ideen in Berührung. Dies ließ in ihr den Wunsch reifen, selber auch in die Politik zu gehen. Doch bis 1905 war es Frauen verboten, einer politischen Partei anzugehören.

Wie für Mädchen aus dem Bildungsbürgertum üblich, besuchte Helene Weber von 1887-1890 die Städtische Höhere Mädchenschule in Elberfeld, dann die Lehrerinnenbildungsanstalt in Aachen. Der dortige Abschluss berechtigte sie zum Unterricht an Volksschulen. Sie war von 1900-1905 Lehrerin in Haaren bei Aachen und in Elberfeld.

Mit der Öffnung des Studiums für Frauen 1908 studierte sie Geschichte, Philosophie und Französisch in Bonn und Grenoble und konnte danach als Oberlehrerin in Bochum und Köln unterrichten. Ihr beruflicher Werdegang bis hierher zeugt schon von ihrem starken Willen, aus dem engen Wuppertal herauszutreten und die Bildungs- und Berufschancen ihrer Zeit zielstrebig zu nutzen.

So lehnte sie das Angebot des damaligen Kölner Oberbürgermeisters Konrad Adenauer ab, die Leitung des Lyzeums III zu übernehmen, wenn sie dafür ihre politische Tätigkeit aufgibt. 1916 übernahm sie die Leitung der vom Katholischen Frauenbund errichteten ersten sozialen Frauenschule in Köln.

In den Mittelpunkt ihres Lebens stellte sie die katholische Frauenarbeit, die Professionalisierung der Fürsorgerinnen, die Jugendwohlfahrt und den Schutz von Müttern und Familien. Die eloquente Zentrumspolitikerin wurde wegen ihrer Sachkompetenz als eine der wenigen Frauen in die Weimarer Nationalversammlung gewählt, war Mitglied im Preußischen Landtag, im Reichstag, im Parlamentarischen Rat und bis zum Lebensende 1962 als CDU-Politikerin der von ihr mitbegründeten neuen Partei im Deutschen Bundestag.

Im Parlamentarischen Rat für das Grundgesetz war sie Schriftführerin, Mitglied im Grundsatzausschuss und im Redaktionsausschuss für die Präambel. Den Gleichberechtigungsgrundsatz (Art.3, Abs. 2) hat der Rat zweimal abgelehnt. Erst als Frauen aus ganz Deutschland protestierten, wäschekörbeweise Petitionen ankamen, war Helene Weber wie ihre Mitstreiterinnen und waren schließlich die Männer überzeugt. Helene Weber hat sich für den Schutz von Ehe und Familie und das Elternrecht stark gemacht (Art. 6) und den Schutz für Mütter (Art. 6 Abs. 4).

So sehr sich Helene Weber bei ihren vielen Reisen, Vorträgen und Versammlungen unermüdlich für eine staatsbürgerliche Bildung von Frauen einsetzte, gleichen Lohn bei gleicher Arbeit forderte, war ihr Denken vom klassischen Familienbild geprägt, von der Frau, die zu Hause die Kinder großzieht.

Helene Weber starb 1962 in Bonn und wurde in der Familiengruft in Recklinghausen beigesetzt. Sie hat keine Bücher geschrieben, aber zahlreiche Beiträge in Verbands- und Fachzeitschriften. Und sie dichtete.