Offen gesagt Was ist Politik wert?

Wuppertal · Die Kommunalpolitiker haben es in der Stadt nicht leicht. Dennoch gilt unter dem Strich, dass auch Wuppertal ihnen in den vergangenen 70 Jahren tendenziell eher gut gefahren ist.

Foto: Schwartz, Anna (as)

Im Stadtrat ist nicht mehr vieles so, wie es in den vergangenen 14 Jahren war. Die Zeiten sind vorbei, in denen zwei Fraktionsvorsitzende per Augenzwinkern Entscheidungen herbeiführten. Die SPD und die CDU müssen sich seither neu orientieren. Mit Hilfe der Grünen und geübtem Pragmatismus scheint das den Christdemokraten bisher besser zu gelingen. Darauf sind Fraktion und Partei allerdings auch angewiesen, wenn es im nächsten Jahr etwas werden soll mit der Ablösung von Andreas Mucke (SPD) als Oberbürgermeister. Aber bis dahin ist noch ein weiter Weg und kommt noch ebenso viel Arbeit auf die Politiker im Stadtrat, in den Bezirksvertretungen und in den Parteien zu, wie auf die Politiker, die Muckes Abwahl verhindern wollen. Arbeit, die im Übrigen kaum oder auch gar nicht bezahlt wird.

Kommunalpolitiker genießen auch in Wuppertal keinen sonderlich guten Ruf. Das hat Gründe. In den Augen vieler Beobachter beschäftigen sich die Ratsleute und Bezirksvertreter mit Überflüssigem. Der Kommunalpolitik ist es in 70 Jahren Bundesrepublik Deutschland nie gelungen, ihren Wert für die Gesellschaft zu dokumentieren. Dabei gibt es zahllose untrügliche Beweise dafür, dass Städte und Gemeinden ohne Kommunalpolitik deutlich schlechter da stünden, als sie es tun. In zentralistisch organisierten Staaten haben die Provinzen vermutlich nicht viel zu lachen. Deutschland ist föderal organisiert, baut sich also politisch feingliedriger auf. Kein Zentralstaat, keine Zentralregierung entscheidet im Detail darüber, wie Städte und Dörfer aussehen, wie die Lebensverhältnisse dort sind. Das machen in aller erster Linie Kommunalparlamente und deren Mitglieder - allerdings mit zu wenig finanzieller Unterstützung durch Bund und Länder. Es ist wichtig, das zur Kenntnis zu nehmen, wenn wieder einmal geringschätzig, oder, was fast noch schlimmer ist, gar nicht über die Arbeit dieser Gremien geredet wird.

Kommunalpolitiker haben es schwer. Daran sind sie allerdings selbst auch nicht ganz unschuldig. Wenn in Räten und Bezirksvertretungen Parteicouleur über Pragmatismus gestellt, wenn um des Redens und nicht um der Sache willen geredet wird, hat der interessierte Bürger das Gefühl, dass sich seine Mandatsträger umgekehrt für ihn nicht interessieren.

Schon aus diesem Grund schadet dem Rat seine Entscheidung, ein heikles Thema wie Pro oder Contra Seilbahn mit einer Bürgerbefragung erledigen zu lassen. Es ist ungeschickt, den Stadtrat nun auch noch selbst zu entwerten, wo es doch schon viel zu viele gibt, die von dessen Arbeit und Wirken keine Notiz nehmen.

Dennoch gilt unter dem Strich, dass auch Wuppertal mit seinen Kommunalpolitikern in den vergangenen 70 Jahren tendenziell eher gut gefahren ist. Die allermeisten Entscheidungen wurden zum Wohle der Allgemeinheit getroffen und wirkten auch so. Sei es das Ja zum Umbau des Döppersberges oder das Ja zur Errichtung einer weiteren Gesamtschule oder das Ja zu Neubau von Feuerwachen oder, oder, oder. Wuppertal ist eine lebenswerte Stadt - wegen und nicht trotz ihrer Lokalpolitiker.

Aus diesem Grund lohnt sich auch der Blick darauf, wie das Gemeinwesen die Arbeit dieser Politiker entlohnt. Für die fast acht Stunden dauernde Februar-Sitzung des Stadtrates erhielt ein jedes der 66 Ratsmitglieder ein Sitzungsgeld von 20,30 Euro, das sind etwas mehr als 2,50 Euro pro Stunde. Aber auch mit der kaum 400 Euro hohen Monatspauschale ist der Aufwand nicht gedeckt, den die Mandatsträger für ihr Ehrenamt betreiben.

Es braucht schon ein hohes Maß an Engagement und viel Liebe zur Heimatstadt, sich als Kommunalpolitiker zu betätigen, wenn gewiss ist, dass der Dienst in den allermeisten Fällen nicht zu Ruhm und Ehre gereicht, sondern allenfalls zu Desinteresse oder auch zu Beschimpfung in den unsozialen Medien.

Deshalb müssen Gesellschaften sich die Frage stellen, was ihnen Politik wert ist. Auf kommunaler Ebene lautet die Antwort bisher: nichts.