Zeugnisvergabe: Was tun bei schlechten Noten?

Sorgentelefone und soziale Einrichtungen erleben kurz vor den Sommerferien einen Boom.

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Wuppertal. Endlich ist es soweit: die letzte Woche vor den großen Ferien ist angebrochen. Das heißt für viele Schüler Aussicht auf mehr als sechs Wochen Freizeit und Müßiggang. Doch zuvor schlägt für viele die Stunde der Wahrheit: am Freitag werden die Zeugnisse verteilt — und nicht immer sind die Noten ein Grund zur Freude. Denn die wenigsten Schüler treffen auf Verständnis, wenn die Noten nicht so gut ausgefallen sind.

„Rund um die Zeugnisvergabe bekommen wir schon mehr Anrufe“, sagt Anna Zacharias von der „Nummer gegen Kummer“. Der Wuppertaler Verein bietet bundesweit sowohl ein Kinder- und Jugendtelefon als auch ein Elterntelefon an. „Schule ist aber das ganze Jahr über ein Thema“, sagt die Fachreferentin für Öffentlichkeitsarbeit. 2016 riefen mehr als 1800 Kinder und Jugendliche und knapp 300 Eltern die „Nummer gegen Kummer“ zum Thema schlechte Noten und Zeugnisse an.

Eine pauschale Antwort, was Eltern tun sollen, wenn ein Kind schlechte Noten mit nach Hause bringt, gibt es nicht. „Unsere Berater raten dazu, nicht direkt loszuschimpfen“, sagt Zacharias. Besser sei es, erst einmal tief durchzuatmen und zu überlegen, was daraus folgt.

„Schlechte Noten fallen ja nicht vom Himmel“, sagt Zacharias. Deshalb sei es wichtig, über das Jahr miteinander zu sprechen. Dann sei das Zeugnis keine Überraschung. Und Maßnahmen, die aus schlechten Noten folgen, sollten die Eltern mit ihrem Kind besprechen. Die Sommerferien seien zwar dazu da, dass Kinder sich von der Schule erholen. Ein Plan wie der Stoff aufgearbeitet werden kann, sollte aber dennoch im Gespräch entwickelt werden. Sonst hätten teure Nachhilfestunden keinen Sinn.

„Es ist wichtig, gemeinsam mit dem Kind herauszufinden, wo das Problem liegt“, sagt die Psychologin Michaela Micke von der Schulpsychologischen Beratungsstelle der Stadt Wuppertal. Häufige Probleme seien Über- und Unterforderung. Es könne aber auch eine Beziehungsstörung zwischen dem Lehrer und dem Schüler vorliegen. „Die Beziehung zwischen dem Lehrer und dem Kind spielt bis zum Berufskolleg eine wichtige Rolle“, sagt Micke. Aber auch das Alter sei entscheidend. In der Pubertät hätten viele Kinder einen Leistungsknick. „Da ist häufig wichtig, was die Peer-Group von einem hält“, so Andrea Bartel, die in der schulpsychologischen Beratung tätig ist.

Kinder wissen, dass schlechte Noten nicht gut sind. Man muss nur an die eigene Schulzeit denken“, sagt Micke. Gerade in den weiterführenden Schulen laufe die Anerkennung über Noten. Andererseits könne eine schlechte Note auch mal pädagogisch wirksam sein, berichtet Bartel. „Es kann ein Ansporn für den Schüler sein“, sagt sie. Das hänge aber stark von der Beziehung zwischen Schüler und Lehrer ab, weiß die Lehrerin aus eigener Erfahrung.

„Schule sollte natürlich ernst genommen werden, aber sie sollte den Alltag in der Familie nicht belasten“, sagt Micke. Die Berater raten Eltern nur Druck zu machen, wenn in der Familie im großen und ganzen alles in Ordnung ist. „Wenn das Kind Belastungsanzeichen wie Ängste, Nervosität, Aggressivität oder Bauchschmerzen zeigt, muss man den Druck rausnehmen“, sagt Bartel.

Aus der Beratungsstelle berichtet sie von Gymnasiasten mit Erschöpfungszuständen. „Die haben die Leistungsorientierung ihrer Eltern verinnerlicht“, so Bartel. Beziehungsweise projizierten Eltern ihre eigene Angst auf die Kinder. Das sei ein gesamtgesellschaftliches Problem. Die Berater der Schulpsychologischen Beratungsstelle raten Eltern, dem Kind zu vertrauen, dass es seinen eigenen Weg findet und ihm zu vermitteln: „Eine drei ist auch fein“, sagt Micke.

Gute Noten dürfen auch belohnt werden. „Wertschätzung und Freude sind dabei das Wichtigste“, sagt Bartel. Geld als Belohnung lehnen die Beraterinnen nicht grundsätzlich ab. Nachhaltiger sei aber ein gemeinsam verbrachter Tag, an dem sich das Kind wünschen darf, was unternommen wird.

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