Arne Ulbricht hat mit 48 Jahren sein erstes Smartphone gekauft „Der letzte Krieger ist gefallen“

Wuppertal · Arne Ulbricht über die Beweggründe, weshalb er sich doch ein weiteres digitales Endgerät anschaffen musste.

Arne Ulbrichts erstes Selfie ist am Grab von Guy de Maupassant auf dem Friedhof Montmartre entstanden.

Foto: Arne Ulbricht

Arne ist ganz aufgeregt! Denn er hält sein erstes Smartphone in der Hand. Als ihm erklärt wird, wie man Apps herunterlädt und was man damit alles machen kann, ist er ganz verzückt. Das Verrückte daran: Arne ist nicht zehn, sondern 48 Jahre alt.

Ja, genau! Ich, der ich Dutzende, manchmal aggressive Artikel gegen den hysterischen Smartphone-Wahn geschrieben habe, habe jetzt auch so ein Ding. Mein Sohn dazu: „Der letzte Krieger ist gefallen!“ Da hat er recht. „Gefallen“ bin ich vor allem aus drei Gründen. Erstens habe ich mir einen Youtube-Kanal eingerichtet, um den Ausfall zahlreicher Lesungen zumindest teilweise zu kompensieren – auch dafür musste ich über manch einen Schatten springen. Ich habe mir dafür die Kamera meiner Nachbarn oder das Handy meiner Tochter ausgeliehen. Um den Kanal zu füttern, brauche ich aber auf Dauer ein eigenes Gerät, das bestenfalls in meine Hosentasche passt.

Zweitens fahre ich oft Zug und bin es inzwischen leid, immer der Einzige zu sein, der keine DB-App hat, die unterwegs wahnsinnig praktisch ist. Und, last but not least, kann ich ohne zweites „Endgerät“ kein Onlinebanking mehr betreiben. Ich musste also ständig unser Tablet in der Wohnung suchen, und manchmal war das Tablet auch auf Reisen. Dann ging gar nichts mehr.

Bin ich nun vollkommen eingeknickt und habe all meine Prinzipien über Bord geworfen? Nee. Zum Beispiel finde ich noch immer, dass solche Geräte auf Schulhöfen nichts zu suchen haben. Und sobald ich Eltern sehe, die whatsappen, anstatt mit ihren Kindern zu reden, werde ich noch immer wütend. (Dass meine Kinderbuchheldin Luna Mamas Smartphone im Eisschrank verschwinden lässt, ist und bleibt eine gute Idee!)

Aber… ich denke inzwischen tatsächlich anders über Menschen, die seltsam verträumt auf ihr Minidisplay starren. Mich sieht man auch manchmal so. Ich lese dann oft meine Lieblingszeitung „Le Monde“, die ich mir jeden Tag herunterlade. Ich fand das schon nach einem Tag bequem – denn die Zeitung, die man in Wuppertal kaum bekommt, habe ich nun immer dabei. Und wenn man mich tippen sieht, spiele ich meistens Schach.

Aber damit will ich nicht behaupten, dass ich mich nicht auch zu zeitraubenden Albernheiten hinreißen lasse. Neulich saß ich zum Beispiel im Café und habe eine Waffel serviert bekommen, mit heißen Kirschen in einem kleinen Silberkrug. Davon musste ich meiner Frau einfach sofort ein Foto schicken. Selbstverständlich mit Herzchen und Smiley.

Erst Youtube, nun das Smartphone. Befinde ich mich in einer Midlifecrisis? Vielleicht. Denn bald wird man mich auch auf Facebook finden! Und das war für mich bisher nichts anderes als eine Sekte, wie ich unter anderem in dieser Zeitung schrieb. Warum? Dazu bald mehr…

»Arne Ulbricht liest auf Lesungen gerne Kindern vor. Aber momentan darf er das nicht. Seinen Youtube-Kanal, auf dem er vor allem aus Luna liest, betrachtet er als Ergänzung zu seinem Vorleseengagement und keineswegs als Alternative.