WZ-Leser erinnern sich Weihnachten in harten und schönen Zeiten
Krefeld · In vielen Haushalten wird man sich in diesem Jahr an frühere Heiligabende erinnern. In diesem Sinne haben wir unsere Leser aufgerufen, ihre Erinnerungen in Bild und Text mit uns zu teilen.
Dieses Weihnachtsfest wird anders als die, die wir kennen. Viele Familien werden aus der berechtigten Sorge um Ansteckung mit dem Coronavirus nicht zusammenkommen. Oder in reduzierter Zahl. Und wer dann zusammen mit älteren Familienangehörigen feiert, bei dem wird der Gedanke mitschwingen: Ist das richtig, was wir hier machen? Selbst wenn wir die empfohlenen Hygieneregeln beachten.
In vielen Haushalten, in denen deshalb in diesem Jahr ziemlich vieles anders sein wird als sonst, wird man sich an frühere Heiligabende erinnern. Wie unbeschwert, wie schön das doch war, wird man denken. In diesem Sinne haben wir unsere Leserinnen und Leser aufgerufen, ihre Erinnerungen in Bild und Text mit uns zu teilen. Viele haben das getan, eine Auswahl sehen Sie auf dieser Seite. Es mag ein Trost sein, aber gleichzeitig auch bedrückend wirken, wenn da Erinnerungen formuliert werden, die beweisen: Es gab auch früher harte Zeiten. Auch früher war nicht alles nur harmonisch und friedlich.
Ein letztes Foto mit dem Vater – aber der kam nie zurück
Besonders bedrückend wirken da die Erinnerungen, die Anselma Hollenstein mit uns teilt. Auf dem Schwarz-Weiß-Foto rechts in der Mitte der Seite sehen wir die damals noch kleine Anselma auf dem Schoß ihrer Mutter. Das Foto wurde eine Woche vor Heiligabend 1944 aufgenommen. Der hinter ihr stehende, ernst blickende Vater wurde genau eine Woche später zum sogenannten Volkssturm eingezogen. Der Volkssturm war eine deutsche militärische Formation in der Endphase des Zweiten Weltkrieges. Die NSDAP hatte alle Männer im Alter von 16 bis 60 Jahren aufgerufen, den „Heimatboden“ des Deutschen Reiches zu verteidigen. Sie sollten die Truppen der Wehrmacht verstärken.
Wie viele andere sollte auch Anselma Hollensteins Vater nie zurückkehren. „So stand unsere Mutter auf dem Bauernhof allein da“, schreibt die heute 82-Jährige. Die Weihnachten danach, so habe es ihre Mutter immer wieder erzählt, seien „die schlimmsten und traurigsten Weihnachten“ gewesen. Dazu später mehr.
Josefine Gotzen: „Es war feierlich und gemütlich damals“
82 Jahre alt ist auch Josefine Gotzen. Auch sie dürfte in ihrem Leben manch hartes Weihnachten erlebt haben. Sie ist zu sehen auf dem Bild rechts unten auf der Seite. 1970 war das. „Wir saßen zusammen und haben Weihnachtslieder gesungen, unser Vater hat uns mit der Mundharmonika begleitet, es war schön feierlich unter dem Tannenbaum. Die Zeit damals war einfach anders, feierlich und gemütlich“, erinnert sie sich an diesen einen von vielen Weihnachtsabenden zurück. Davon will sie aber so viel wie möglich in die heutige Zeit hinüberretten. Sie freut sich auch heute noch das ganze Jahr auf die Adventszeit. „Ich schmücke das ganze Haus weihnachtlich“, sagt sie. Weihnachten, das bedeute für sie: „Teilen und etwas von dem zurückgeben, was man selbst an Gutem empfangen hat.“
Klaus Heidan spielt für die Enkel den Weihnachtsmann
Unser Leser Klaus Heidan erinnert sich gern an die Jahre, als er an Heiligabend für die Enkel Fabian und Felix den Weihnachtsmann darstellen durfte (Foto rechts oben). Er erzählt: „Sie warteten immer aufgeregt auf seine Ankunft und hofften, dass er Geschenke dabei hat. Ich erfand immer einen triftigen Grund, weshalb ich leider nicht zugegen sein konnte. Nach meiner Rückkehr erzählten sie mir immer sehr aufgeregt, dass der Weihnachtsmann tatsächlich gekommen war und sie nach ihrem Gedicht und seinen lobenden Worten für ihre braven vergangenen Monate sehr schöne Geschenke bekommen hatten. Danach fand dann ein vergnüglicher und lustiger Abend im Kreise der ganzen Familie statt.“
Beate Schmitz-Rundholz: „Ein Saal wurde gemietet“
Beate Schmitz-Rundholz hat uns ein Foto geschickt, auf dem ihre Schwester Edith vor nunmehr 68 Jahren als Engelchen zu sehen ist (Foto links unten). Sie hat heute noch Erinnerungen „an die wunderschönen Weihnachtsfeiern der Nachbarschaft Sandberg/Giesenweg. Es ging immer sehr feierlich zu, mit Gedichten aufsagen und gemeinsamem Singen. Es wurde extra ein kleiner Saal in der Gaststätte Koppers (am Glockenspitz, wo jetzt der Grieche drin ist) angemietet, denn es waren sehr viele Kinder, die mit Eltern und Großeltern dort besinnliche Stunden verbracht haben.“
Wera Magnor: „Schön war es mit Opa auf dem Weihnachtsmarkt“
Wera Magnor erinnert sich an einen Besuch mit seinem Opa auf dem Krefelder Weihnachtsmarkt (Foto unten rechts). „Es war traumhaft schön. Die Lichter, die Zuckerwatte, der Nikolaus mit der roten Mütze und mein Opa. Wir sind sogar mit dem großen Riesenrad gefahren und konnten von ganz oben die bunte, helle, mit goldenen und silbernen Farben strahlenden Tannen bewundern. Das war vor 15 Jahren. Heute bin ich selber Vater und habe einen dreijährigen Sohn.“ Auch in diesem Jahr würde er gern Weihnachten mit dem Opa feiern. „Aber dieses Jahr geht es nicht. Die Corona-Pandemie hat mir nicht nur meine schönen Träume, sondern auch meinen Opa weggenommen. Trotzdem hoffe ich, dass ich im nächsten Jahr mit meiner Familie wieder die zauberhaften Stunden und die Vorfreude auf Weihnachten erleben kann.“
Ursula Renner verpfeift ihren Großvater beim Christkind
Ursula Renner hat uns ein Foto aus dem Jahr 1956 geschickt. Sie sehen es ganz links unten auf der Seite. Da war sie fünf Jahre alt. Ursula Renner erzählt: „Mein Großvater und mein Vater arbeiteten im gleichen Betrieb, und alljährlich gab es eine Betriebs-Weihnachtsfeier im ,Bröcksken’, bei der der Nikolaus die Briefe und Wunschzettel der Kinder an ihn vorlas. Meine Eltern und meine Großeltern waren also mit bei dieser Weihnachtsfeier, und da mein Großvater uns Kinder immer wieder kniff und zwackte, was mich als Kind total nervte, habe ich ihm gedroht, dies dem Christkind zu schreiben (meine Mutter hat den Brief geschrieben). Bei dieser Weihnachtsfeier wurde ich dann nach vorn zum Nikolaus gerufen, der dann den Brief laut und deutlich vorlas, auch wollte er meinem Großvater ins Gewissen reden. Aber auf einmal war er nicht mehr da, und ich war sehr enttäuscht, dass ihm der Nikolaus nicht die Leviten lesen konnte. Allerdings wusste ich nicht, dass der Nikolaus neben mir mein Großvater war.“
Corinna Vowé nimmt uns mit auf eine Zeitreise ins Jahr 1968
Corinna Vowé hat uns auch ein wunderschönes Foto geschickt, das uns auf eine Zeitreise ins Jahr 1968 mitnimmt. Auf dem Bild in der Seitenmitte links ist Corinna Vowé (Dritte von rechts) beim Besuch zusammen mit der Großmutter bei Tante, Onkel und Cousin zu sehen. „So war das früher. Ein Teller Plätzchen stand auf dem Tisch, ein geschmückter Weihnachtsbaum, und alle waren zufrieden und glücklich mit dem Wenigen“, erinnert sie sich.
Anselma Hollenstein: Pelzmantel gegen Lebensmittel eingetauscht
Aber noch mal zurück zu Anselma Hollenstein, die als Kind ihren Vater verloren hatte, als dieser 1944 zum Volkssturm eingezogen wurde. Die heute 82-jährige Frau erzählt, wie bitterarm die Familie war, als sie 1946 Weihnachten feierte. Und wie man sich da behalf. „Meine Mutter besaß einen Pelzmantel meiner verstorbenen Großmutter. Damit dieser nicht verlorenging im Krieg, hatte die Familie ihn in einer großen Milchkanne unter der Erde vergraben. „Da schickte die Mutter uns sechs Kinder im Alter von acht (ich war die Jüngste) bis 17 Jahren mit dem Mantel zum Lebensmittelhändler, weil sie meinte, dass wir Kinder dafür mehr bekommen als Erwachsene. Wir kehrten zurück mit einem größeren Säckchen Mehl, einem Stück Speck, einem größeren Stück Butter und ein paar Eiern. Das war der Gegenwert für den Pelzmantel, und Mutter weinte.“
Die Freude über einen
Laib Brot zu Weihnachten
Und noch so eine Geschichte von Not und Entbehrung hat Anselma Hollenstein zu erzählen. „Es war Weihnachten 1948. Da bekam jedes von uns Kindern ein Pfund Brot geschenkt. Wir trauten uns kaum hineinzubeißen. Später, als wir längst erwachsen waren, fragten wir unsere Mutter, wie sie damals eigentlich an das Brot gekommen war. Sie sagte, sie hätte das ganze Jahr über einige Lebensmittel-Zucker-Marken, die sie erübrigen konnte, gesammelt und dann vor Weihnachten beim Bäcker eingetauscht. Inzwischen bin ich 82 Jahre alt, aber ich muss immer noch an Heiligabend daran denken“, sagt Anselma Hollenstein.
Das „härteste Weihnachten“? Auf die Perspektive kommt es an
Es ist noch nicht lange her, da sagte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet angesichts der Pandemie, dass es „wohl das härteste Weihnachten wird, das die Nachkriegsgenerationen je erlebt hat“. Dafür war er stark kritisiert worden. Darauf angesprochen sagte er in einem weiteren Interview: „Natürlich ist es auf Lesbos schlimmer, und natürlich ist es in Afrika in Elendsvierteln schlimmer. Das ist ja alles wahr. Aber die Botschaft ist: Dieses Weihnachten wird anders sein als alle Weihnachten, wie wir sie kennen. Es wird Verzicht bedeuten.“
Ja, das Weihnachten wird anders, vor allem emotional belastender als es frühere Weihnachtsfeste waren. Es gibt Menschen, die haben ihre Angehörigen verloren in der Pandemie.
Andere sind selbst erkrankt. Oder haben Angst, dass sie selbst oder ihre Lieben erkranken. Sie haben Angst um ihre wirtschaftliche Zukunft.
All’ das ist wirklich sehr bedrückend. Aber messen wir es ruhig auch mal an dem, was uns unsere Leserin Anselma Hollenstein erzählt hat. Verglichen damit geht es den allermeisten doch ziemlich gut.