PORTRÄT Lavinia Dames debütiert im Sommer bei den Bayreuther Festspielen Opernstar von morgen?

DÜSSELDORF · . Lavinia Dames ist zwar gerade erst 33 Jahre alt, steht aber bereits seit zehn Jahren auf den Brettern der Deutschen Oper am Rhein. Als die gebürtige Göttingerin von der Wiener Universität für Musik einfach mal nach Düsseldorf reiste, um dem Intendanten vorzusingen, hatte sie nichts zur verlieren.

Opernhaus Düsseldorf: Szene aus „Der Kreidekreis“ mit Lavinia Dames als Tschang-Haitang.

Foto: Sandra Then

„Ich habe nicht damit gerechnet, gleich ins große Ensemble aufgenommen zu werden“, erzählt sie. Als lyrischer Sopran sang sie mit jungen Jahren bereits begehrte Partien in Repertoire-Schlagern – wie die Pamina in der „Zauberflöte“, die Sophie im „Rosenkavalier“ oder die Gretel in der Märchenoper „Hänsel und Gretel“. Die Musette in „La Bohème“, kleinere Rollen im „Graf von Luxemburg“ und „Don Pasquale“.

„Schon als Kind wusste ich, dass ich auf die Opernbühne wollte“, sagt die Jüngste von fünf Geschwistern. Zwei ältere Brüder sangen damals bereits im Knabenchor, auch in der „Zauberflöte“. Als die fünfjährige Lavinia Dames mit ihren Eltern eine Vorstellung besuchte, war sie fasziniert von der „Königin der Nacht“. Da seien die Würfel gefallen. Mit elf nahm sie den ersten Gesangsunterricht, mit 14 erhielt sie, im Rahmen der Begabtenförderung, regelmäßig Unterricht bei Professoren der Detmolder Musik-Akademie.

Und heute? Ihren Durchbruch in Düsseldorf erlebte die Sopranistin kürzlich als Haitang in dem Musikdrama „Der Kaukasische Kreidekreis“ – bei Publikum und überregionaler Presse. In dem selten gespielten chinesischen Märchen (in den 1930ern vertont von Alexander Zemlinsky) – halb spätromantische Oper, halb Sprechtheater mit jazzigen Einsprengseln – spielt und singt Lavinia Dames die Haitang. Eine Konkubine, die von ihrer Rivalin bis aufs Messer bekämpft wird, sich am Ende aber durchsetzt und zur Kaiserin aufsteigt. Ihr sicher geführter, schlanker lyrischer Sopran blüht an manchen Stellen auf, dann switcht sie um und geriert sich, ganz selbstverständlich, wie eine Darstellerin im Sprechtheater. Eine Seltenheit auf deutschen Bühnen: Jedes Wort verstehen Zuschauer, selbst im zweiten Rang. Deshalb rühmen Kritiker neben ihrer Wandlungsfähigkeit ihre klare Aussprache.

Lavinia Dames

Foto: Klaudia Taday

Im Sommer aber steht ein Schritt bevor, die ihrer Karriere international einen Schub verleihen könnte: Lavinia Dames Debüt bei den Bayreuther Festspielen. Als Blumenmädchen und Knappe (aus der ersten Gruppe) in Wagners „Parsifal“.

An 25 Abenden
auf der Bühne

Von Anfang an war die Rheinoper ein „großes Glück“ für Dames – auch wegen der Nähe zu anderen Opernhäusern, wie dem Essener Aalto-Theater, wo sie regelmäßig gastiert. Da der Intendant generell den Sängern die Freiheit einräumt, auch andernorts aufzutreten, kommen auch andere, bereits bekannte Solisten gerne an die Rheinoper. An etwa 25 Abenden steht Lavinia im Opernhaus auf den Brettern. „Aber für lyrische Soprane gibt es in einem Haus nicht immer etwas zu tun“, sagt sie. Und absolviert rund 25 Vorstellungen pro Saison andernorts, Stockholm und Kopenhagen inklusive. Plus einige Liederabende. Mehr als 50 Auftritte pro Jahr versucht sie zu vermeiden. Das klingt nach Stimm-Hygiene. Zu viel zu singen, in kurzer Zeit, sei gefährlich. „Meine Karriere soll länger dauern.“

Bei den Festspielen in Bayreuth wird sie auch nur an fünf Abenden auf der Bühne zu sehen sein. Nach kurzem Nachdenken fügt sie hinzu: „Ich hoffe heute mit 33, dass sich meine Stimme in den nächsten Jahren noch weiter entwickelt.“ Lyrische Sopranpartien, wie Eva (In „Meistersingern“) oder Elsa (in „Lohengrin“) zählen zu ihren Traumrollen.

Abonniert ist sie zunächst – neben Partien in Operetten und Mozart-Opern – überwiegend auf Werke des 20. und 21. Jahrhunderts. Wie gerade Zemlinsky, auf Uraufführungen oder häufig auf die großen Werke von Richard Strauss. In der Bayrischen Staatsoper München (eine der ersten Adressen in Europa) sang sie vor zwei Jahren in Strauss’ „Die schweigsame Frau.“ In ihrer Erinnerung bleibt allerdings ein schockierendes Erlebnis: Lavinia Dames sang am 22. Juli 2022 auf der Staatsopern-Bühne, als Stefan Soltész am Dirigentenpult im Orchestergraben plötzlich zusammenbrach und kurz danach verstarb. Ein Horror für Sänger, Musiker und Zuschauer. Auch NRW trauerte damals; denn Soltész prägte als herausragender Dirigent das Land: 1997-2013 führte er als Intendant und Chefdirigent das Essener Aalto-Theater zu Ruhm und Ehren – dort, wo Lavinia Dames 2023 in Gordon Kampes „Dogville“-Oper (nach dem gleichnamigen Film von Lars von Trier) Furore machte. Wandlungsfähig, wie im Kreidekreis mutierte sie darin vom unschuldigen Mädchen zur eiskalten Mörderin.