Anne Wills Geplauder über die Ware Mensch

Ihrem Ziel, Wochenthemen zu setzen, wurde die Moderatorin noch nicht gerecht. Die Premiere fiel deshalb fad aus.

Düsseldorf. Nichts gegen das Thema "Rendite statt Respekt: Wenn Arbeit ihren Wert verliert". Denn zigtausende Arbeitnehmer rechnen tagtäglich mit jedem Cent, weil sie von Dumpinglöhnen leben müssen. Doch Anne Will, der neue Stern am politischen Talkshow-Himmel in der ARD und Nachfolgerin von Sabine Christiansen, hat es sich zum Ziel gesetzt, "am Sonntagabend ganz klar den Wochenauftakt zu markieren". Gemessen an diesem Anspruch fiel die Premiere ein wenig fad aus.

Während sich Deutschland längst über andere Themen ereiferte - einen Bundesinnenminister, der vor Terroranschlägen mit Atomwaffen warnt und einen Verteidigungsminister, der mit dem Abschuss von Passagierflugzeugen liebäugelt, die in die Hände von Terroristen gefallen sind - plauderte die Ex-Tagesthemen-Sprecherin im grau-braunen Hosenanzug mit ihren Gästen über die Ware Mensch. Allerdings ohne großen Informationswert.

Vielleicht lag es an ihrer Aufregung, dass Anne Will nur selten nachhakte, den Gästen lieber ein Forum für langatmige Monologe bot und die Moderationskärtchen abarbeitete. Trotzdem wirkte ihre Unaufgeregtheit im Kontrast zur huldvollen Plaudertasche Christiansen fast schon wohltuend.

Einschaltquote: Anne Will (Foto) hat mit ihrer Talkshow-Premiere in der ARD eine gute Einschaltquote eingefahren. 5,04 Millionen Zuschauer (Marktanteil: 18,2 Prozent) interessierten sich ab 21.45 Uhr für die neue Sendung der ehemaligen "Tagesthemen"-Moderatorin. Ihre Vorgängerin Sabine Christiansen wollten im Durchschnitt 3,9 Millionen Menschen (Marktanteil: 13,5 Prozent) sehen.

Gäste: Zu Gast waren unter anderem Landesbischöfin Margot Käßmann, SPD-Chef Kurt Beck (Foto links), NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU/rechts) und Telekom-Vorstandschef René Obermann.

Resonanz: ARD-Programmdirektor Günter Struve sprach von "60 Minuten Freude", ARD-Chefredakteur Thomas Baumann sagte: "Anne Will hat die Diskussion an der richtigen Stelle laufen lassen und dann journalistisch genau und zielsicher nachgehakt." NDR-Programmdirektor Volker Herres lobte: "Sie kam, sah und siegte."