„Bauchfrei ist ein No-Go“: Schweizer Debatte über Lehrermode
Zürich (dpa) - „Kleider machen Leute“. Diese Novelle des Schweizers Gottfried Keller (1819-1890) war lange Pflichtlektüre auch an deutschen Schulen. Jetzt kommt aus der Schweiz eine neue Botschaft: Kleider machen Lehrer.
Flipflops sind out. Kleider mit Spaghetti-Trägern, gar mit Blick auf Achselhaar? Tun Sie es nicht. Jedenfalls nicht, wenn Sie als Lehrerin vor Schüler im internetfähigen Alter treten. Die könnten längst Wind bekommen haben von einer neuen Debatte über Bekleidungstipps für Pädagogen, die sich von der Schweiz aus im Netz verbreitet - mit teils heftigen Reaktionen.
„Ich bin Lehrerin und kein Model“, protestiert eine Leserin des Zürcher „Tages-Anzeiger“. Ausgelöst wurde der Streit durch ein Seminar für Lehrer zum Thema „Auftreten, wirken, begeistern“. An einer Schule in Kreuzlingen am Bodensee bekamen Pädagogen Tipps von Experten, wie sie ihre Wirkung auf Schüler verbessern könnten. Mit dabei war Jeroen van Rooijen. Der Stilberater las der Lehrerschaft die Leviten zu Fehltritten bei der Klassenzimmergarderobe.
Van Rooijens „Dresscode“ löste harsche Kritik aus. Lehrer hätten „Fach- und nicht Textilkompetenz“ zu vermitteln, wurde ihm erwidert. Und er sei darauf hingewiesen worden, dass der Lehrerberuf auch ohne Kleidervorschriften kompliziert genug sei, berichtete der Modemann in der „Neuen Zürcher Zeitung“. Immerhin hätten jüngere Seminarteilnehmer erklärt, sie würden sich mehr Stil in ihren Reihen wünschen. Nun hat Van Rooijen seine Empfehlungen veröffentlicht und die Debatte damit angefacht.
Wie sieht es mit T-Shirts aus? „Für Lehrerinnen unproblematisch, wenn sie einen gepflegten Eindruck machen“, lautet seine Einschätzung. Dabei jedoch strikt zu beachten: „Bauchfrei ist ein No-Go.“ Die Herren am Pult sollten keine Shirts tragen, die mit Logos, Sprüchen oder Symbolen bedruckt sind. „Im Zweifelsfall empfiehlt sich für Lehrer, ein korrektes Poloshirt mit Kragen zu tragen.“
Gegen Tops am weiblichen Lehrkörper sei im Prinzip nichts einzuwenden. Aber: die Träger sollten nicht fadendünn, sondern mindestens drei Zentimeter breit sein, „wobei auf jeden Fall die Achseln zu rasieren sind“. Auch für die Herren gehöre sich „die Zurschaustellung von Körperhaaren“ nicht. Lehrer in ärmellosen Shirts? Nicht einmal im heißesten aller Sommer!
Kapuzenjacken? No, Erzieher wollen doch nicht mit Teenager-„Hoodies“ verwechselt werden. Genauso wenig wie Shorts, Gummilatschen oder High Heels. Der eine oder andere Schüler jenseits der 14 mag es beim Gedanken an seine Lehrerin bedauern, aber laut Pädagogen-Dresscode sind „enge, sehr kurze und transparente Kleider ein sicheres No-Go“.
Kein Wunder, dass Van Rooijen auch das Lehrerinnen-Dekolleté, von dem manche Ex-Schüler noch im hohen Alter träumen sollen, auf „verpönt“ gesetzt hat: Eine Lehrerin habe ihre Vorbildfunktion zu wahren und Privates vom Beruf zu trennen.
Für Pädagogen mit Hang zum „Casual Look“ gibt es einen Trost: Jeans sind okay - solange die „Denim-Hosen zeitgemäß geschnitten und nicht zu verwaschen oder zerschlissen sind“. Dass Lehrer Sakkos oft als einengend empfinden, räumt der Stilexperte ein. Als Ersatz könnten bequeme „Soft-Jacketts ohne Schulterpolster und Innenfutter“ dienen oder auch elegante Strickjacken.
Manch Schweizer lehnt so viel Bevormundung ab: „Bleibt locker und kommt mit Flip-Flops“, schrieb ein Leser des „Tages-Anzeigers“. „Mir sind kompetente Lehrer mit natürlicher Autorität wichtiger, als gestylte Modepüppchen.“ Ein anderer meinte: „Lockere Lehrer werden viel mehr respektiert.“
Nachholbedarf beim Klassenzimmer-Outfit sieht ähnlich wie Van Rooijen auch der oberste Schweizer Pädagoge. Die „Gefahr übertriebener Eleganz bei Lehrpersonen“ sei nicht groß, merkte Beat Zemp an, der Präsident des Lehrer-Dachverbandes der Eidgenossenschaft. Pädagogen sollten Auftrittskompetenz haben. „Mit einem Blazer signalisiert man eine Arbeitshaltung nun mal besser als in Shorts und Flipflops.“