Bill Wyman: Fußball, Kunst und Rock’n’Roll

31 Jahre stand Bill Wyman am Bass der Rolling Stones. Der Fan von Crystal Palace ist der Musik bis heute treu geblieben.

London. Der ältere Herr mit der Designerbrille liebt es, künstlerisch gestaltete Naturaufnahmen zu machen — aber er ist normalerweise kein Fotograf. Er hat ein Buch über seinen Freund, den Maler Marc Chagall, herausgebracht — aber er ist eigentlich weder Zeichner noch Autor. Der Mann ist Rockmusiker von Beruf: Bill Wyman, bis 1993 das Multitalent am Bass der Rolling Stones, ist in Ehren ergraut — und wird am Montag 75 Jahre alt.

Was die wilden Stones um Frontmann Mick Jagger und Gitarrist Keith Richards in den 1960er und 1970er Jahren gedacht haben, ist nicht genau belegt. Aber sie hätten wohl nicht unbedingt geglaubt, dass sie es einmal schaffen, über 75 Jahre alt zu werden. Zu ungezügelt war das Leben um Sex, Drugs and Rock ’n’ Roll.

Wyman, der sich als Autodidakt zunächst das Spielen auf der Gitarre, später auch am Bass und auf der Zither beigebracht hatte, war zumindest bei den Drogen schon immer etwas zurückhaltender als seine jüngeren Bandkollegen. Schon bei der Gründung der Stones 1962 war der damals 26-Jährige aus dem englischen Örtchen Penge verheiratet und hatte ein Kind.

Das hielt Wyman jedoch nicht von einigen wilden Eskapaden während der 31 Jahre bei den Stones ab. „Ich hatte nur ein oder zwei Frauen — die aber jede Nacht“, soll er einmal gesagt haben.

Mitte der 1980er Jahre lernte er die damals 14 Jahre alte Mandy Smith kennen, heiratete sie, als sie 19 war, und verließ sie wenig später wieder. Inzwischen ist Wyman in dritter Ehe mit Suzanne Accosta verheiratet. Beide haben drei Töchter.

In Wymans erstem Buch über den Band-Alltag der Stones sind viele der wilden Geschichten nachzulesen — vom Bassisten akribisch festgehalten.

1993 hatte Wyman genug. „Ich habe ein Vierteljahrhundert Jumpin’ Jack Flash spielen müssen und ich hatte mir den großen Spaß immer etwas anders vorgestellt“, sagte er einmal dem „Spiegel“. „Die letzten zehn, fünfzehn Jahre meiner Mitarbeit bei den Stones ist kein einziger großer Hit mehr dazugekommen, das war schon frustrierend.“ Keith Richards’ Regel, dass ein Stone die Band entweder im Sarg verlässt, oder hinausgeworfen wird, war Wyman egal.

Bei den Rolling Stones war fortan Darryl Jones für die Bass-Soli zuständig. Wyman hatte besseres zu tun. Er gründete nicht nur die von der Kritik inzwischen hochgelobte Band The Rhythm Kings — mit der Spitzenleute wie Chris Rea und Eric Clapton auftraten. Auch seinen Geburtstag wird Wyman mit den Rhythm Kings auf der Bühne in Manchester verbringen.

Der Musiker engagiert sich auch für Multiple-Sklerose-Kranke und ist als Geschäftsmann erfolgreich — mit Restaurants der Kette „Sticky Fingers“. Seine große Liebe gilt jedoch seinem Fußballclub Crystal Palace aus London — und der Kunst.

Eine Galerie in der Londoner Künstler-Hochburg Hoxton zeigt Wymans Fotografien. „Ich hätte nie gedacht, dass meine Fotos einmal in einer Ausstellung zu sehen sein werden“, sagte Wyman. Inzwischen braucht er einen Autofokus. „Mein Augenlicht erlaubt es nicht mehr, dass ich selbst scharf stelle“, sagte er vor einigen Tagen der BBC. In seinem Archiv hat Wyman mehr als 20 000 Aufnahmen. Eine zeigt Mick Jagger mit einer Bibel in der Hand — Titel: „Mick auf der Suche nach Schlupflöchern.“