Briefmarkensammeln – ein Hobby auf dem Rückzug
Reibach lässt sich mit dem Sammeln von Briefmarken längst nicht mehr machen, die Alben sind nichts mehr wert.
Düsseldorf. Der Weg zu den Sammlern führt die Treppe runter in den Keller. "Briefmarkenfreunde" steht auf dem Schild, das an einem Heizkörper pappt. Der Pfeil darauf soll neuen Besuchern den Weg weisen - doch die kommen eher selten. Dort unten hat der mit rund 90 Mitgliedern nach eigenen Angaben größte Briefmarkenverein Düsseldorfs seinen Vereinsraum. "Einen festen, den haben nicht viele", ist Geschäftsführer Christian Schlachetzki (73) stolz.
Die aufgereihten Tische erinnern an ein Klassenzimmer. An den Wänden sind Schaukästen angebracht, alte Postsäcke dienen als Deko und ein buntes Logo verweist auf die "Internationale Jugend-Briefmarkenausstellung 1990", die der Verein damals mitorganisiert hat. Ein paar ältere Herren haben ihre Alben ausgebreitet und fachsimpeln. Es ist genau das Bild, das die meisten Menschen heute mit dem Hobby verbinden, das früher Millionen begeisterte. Ist Philatelie, die Briefmarkenkunde, nur noch etwas für Senioren?
Schlachetzki ist seit 30 Jahren im Vorstand des Vereins und kennt noch andere Zeiten. "Wir hatten mal über 100 Jugendliche in unserem Verein." Doch nur die wenigsten seien dabei geblieben. Heute suche man in eigenen Reihen vergeblich Nachwuchs. Die Söhne und Enkelkinder haben andere Hobbys. "Wir können zumindest die verstorbenen Mitglieder durch neue ausgleichen", sagt Schlachetzki. Viele Klubs hätten sogar mit sinkenden Mitgliederzahlen zu kämpfen. "Aber das gilt ja nicht nur fürs Briefmarkensammeln." Dass das Vereinswesen an Interesse verliert, sei ein gesellschaftliches Phänomen.
Drei Millionen Sammler gibt es immerhin noch in Deutschland, schätzt Wolfgang Peschel, Sprecher des Bundes deutscher Philatelisten (BdPh). Dazu zählt er auch die Abonnenten der Deutschen Post AG, die sich brav die neuen Marken ins Album stecken. Etwa 700.000 sollen es sein. Vor zehn Jahren, so Peschel, wären es noch gut eine Million gewesen.
Der ehemalige Staatskonzern hält sich zurück, was die Preisgabe von Zahlen angeht, vor allem, was er an den Sammlern verdient. Ein dreistelliger Millionenbetrag wird es sein, meint Peschel. Achim Gahr, Sprecher der Post, drückt sich so aus: "Die Philatelie ist schon ein schöner, netter Bereich für uns." Den die Post auch nicht verlieren will. Schließlich bekommt der "gelbe Riese" das Geld, ohne eine Gegenleistung zu erbringen - nur die wenigsten der Sammlermarken landen auf Briefen, die dann transportiert werden müssen.
Doch Peschel macht sich Sorgen. Die Lizenz der Deutschen Post zur Herstellung und zum Vertrieb der Briefmarken läuft Ende 2010 aus. Das Bundesfinanzministerium als Herausgeber der Postwertzeichen hat den Auftrag europaweit ausgeschrieben. Rechtlich sei das notwendig, heißt es dazu aus Berlin, weil 2007 das sogenannte Briefbeförderungsmonopol gefallen ist - die Deutsche Post muss sich also dem Wettbewerb stellen.
Peschel fürchtet, dass falls die Post nicht den Zuschlag erhalten sollte, die Sammler leiden. "Nicht ausgeschlossen ist, dass die bisher herausgegebenen Marken ungültig werden." Ein ähnliches Szenario gab es 2002, als der Euro eingeführt wurde. Die Marken in DM-Währung waren nach einer Umtauschfrist nicht mehr gültig - der Sammlerwert stürzte in den Keller, viele Sammler wandten sich vom Hobby ab.
"Da wurden Millionensummen verbrannt", sagt Peschel. Überhaupt sei der Aspekt der Briefmarkensammlung als "Wertanlage" völlig verloren gegangen. "Das mit der ,Aktie des kleinen Mannes’ war einmal", sagt der BdPh-Sprecher. Christian Schlachetzki von den Briefmarkenfreunden spricht klare Worte: "Aus Sicht des Verkäufers ist der Markt ,tot’."
Also müssen die Sammler mit etwas anderem um Neueinsteiger werben als der Aussicht, irgendwann den großen Reibach machen zu können. "Das Hobby ist immer noch lebendig und gar nicht uncool", betont Schlachetzki und hebt den "ideellen Lerneffekt" hervor. Ob sich damit bei der Jugend im Computer- und Internet-Zeitalter punkten lässt?