Sport hält jung Dem Alter weggepaddelt - Mit 79 noch auf dem Brett
Starnberg (dpa) - Bevor Elisabeth Rösel trainiert, befestigt sie vorne am Stehpaddel-Brett eine Actionkamera. Wenn sie dann mit dem Paddel in den Händen, Sonnenbrille auf der Nase und im Neoprenanzug über das Wasser des Starnberger Sees gleitet, zeigt ihr Gesicht keine Anstrengung.
Stand Up Paddling, oder kurz SUP, hält sie jung. Genauso ihr Ehrgeiz. Elisabeth Rösel wird im August 80.
Zu Hause schaut sie die Aufnahmen an, analysiert, ob sie das Paddel richtig hält, was sie besser machen kann. Im September möchte sie zu den bayerischen Meisterschaften. Wie gut sie dort abschneidet - egal. „Bei den jungen Leute kann ich eh nicht mehr mithalten“, sagt sie. Vom Perfektionismus kann sich Rösel aber nicht trennen. Zu lange hat er sie angetrieben. Rösel war in der deutschen Nationalmannschaft für Rhythmische Sportgymnastik.
1965 fährt die gebürtige Münchnerin zum ersten Mal zur Weltmeisterschaft nach Prag. Damals ist sie Ende 20. Drei Mal war sie bei Weltmeisterschaften. „Von den Eltern weg zu sein, das war Freiheit.“ Davor: Schwimmen, Eiskunstlauf, Geräteturnen. Später trainiert Rösel Mädchen in Rhythmischer Sportgymnastik, geht in Münchner Schulen, sucht im Sportunterricht nach jungen Talenten. Vom Sport lebt sie nie. Sie wird Chemotechnikerin.
Fünf Jahre ist es her, dass Rösel zum ersten Mal auf einem Board stand. Zum SUP kam sie zufällig. „Mein Freund macht Windsurfen. Aber dazu bin ich irgendwie zu blöd, obwohl ich segeln kann.“ Ihr Lebensgefährte, ebenfalls fast 80 Jahre alt, kaufte ihr Brett und Paddel. „Das war so ein ganz schweres Ding. Und das Brett war nicht für Stand Up Paddling, sondern einfach ein Surfboard“, sagt Rösel und schüttelt den Kopf über ihre Anfänger-Ausrüstung. Jetzt spricht sie über „Airsups“ und „Isups“, als habe sie vergessen, dass nicht jeder sich mit den unterschiedlichen Brettern auskennt.
Irgendwann sah sie einen Aushang für ein Rennen. „Da fahr' ich hin, habe ich gesagt.“ Endlich wieder ein Wettkampf, so wie früher.
Der Ehrgeiz ist Rösel immer anzumerken. Aus ihrer Tasche kramt sie ein Smartphone und öffnet Facebook, zeigt ihr schwarz-weißes Profilfoto: Die junge Rösel, mit schwarzem Bob, balanciert einen Ball auf ihrem Handrücken und schaut aus dem Bild heraus. Der Blick entschlossen, selbstbewusst. Der gleiche Ausdruck legt sich auf ihr Gesicht, wenn sie heute für Fotos posiert. Dann reckt sie die Arme empor, spannt den ganzen Körper an. Wie früher, bei der Sportgymnastik.
Für den Verband „German Stand Up Paddle Association“ (GSUPA) sind Paddler über 70 an sich nichts Ungewöhnliches. „Das ist kein Einzelfall“, sagt Präsident Christian Hahn. Dass jemand in Rösls Alter aber noch an Wettkämpfen teilnimmt, ist auch für ihn besonders. „Mit Ende 50 hört das mit den Wettkampfsportlern eigentlich auf.“
Über die Wettkämpfe lernte Rösel auch Eliane Droemer kennen, die eine SUP-Schule betreibt. Sie hatte eine Idee: Ältere Leute für den Sport begeistern. „SUP kann jeder, der auf beiden Beinen stehen und schwimmen kann“, sagt Droemer. Der Sport fördere die Kondition und stärke die Gelenke. „Außerdem sind die Boards so weich, dass man sich kaum verletzen kann.“
Seitdem gibt Rösel Trainings für Menschen über 60. Manchmal zumindest: Die Nachfrage ist mäßig, trainiert wird nur auf Anfrage. „Die Leute haben irgendwie Angst davor. Ich weiß nicht warum, das kann ich nicht nachvollziehen“, sagt Rösel. Angst, das ist nicht ihre Sache. Sie hat keine Angst vor ihrem 80. Geburtstag oder vor dem Altwerden. „Da muss man einfach was gegen tun. Ich fühle mich eher wie 20“, sagt sie - wissend, dass sie niemand so jung schätzen würde. „Das fängt ja mit der Kleidung an. Ich trag' zum Beispiel Leggins oder Miniröcke.“
Früher war es Rösel wichtig zu gewinnen. Nun liegt ihr Ehrgeiz darin, dabei zu sein, fit zu bleiben, zu trainieren, bis die Technik perfekt ist. Früher war es der Wettkampf gegen andere, heute ist es ein Wettkampf gegen das Alter. Den nimmt sie sportlich. Woher der Ehrgeiz kommt? „Angeboren.“