Serie: Schöne Grüße aus Krefeld Krefelds höchster Punkt liegt in der Eifel
Krefeld · Das Waldgut Schirmau in der Eifel gehört seit 1977 der Stadt Krefeld. Gebaut hat es Max von der Leyen.
Der höchste Punkt von Krefeld liegt in der Eifel. Wer bei dieser Behauptung etwas ratlos Google-Maps aufruft, wird dort kaum fündig werden. Denn der sonst scheinbar allwissende Internet-Atlas hat keine Ahnung davon, was es mit dem 217 Hektar großen Waldgut Schirmau im Brohltal auf sich hat. Auf einer Höhe von 420 Metern über NN gelegen, ist die ebenso schöne wie weitläufige Hofanlage in Rheinland-Pfalz – sie verfügt allein über 192 Hektar Wald – seit 1977 im Besitz der Stadt Krefeld. Die Autos und Traktoren, die zum Gut gehören, tragen Krefelder Kennzeichen. Und auch Gutsverwalter Ferdinand Liemersdorf ist gewissermaßen ein Mitarbeiter der Seidenstadt am Rhein.
Doch der Reihe nach. Im Jahr 1904 oder 1905 verschlägt es den Krefelder Max von der Leyen, der aus der Familie der berühmten Krefelder Seidenbarone stammt – sein Opa hat das heutige Rathaus gebaut –, als Angehöriger des 1. Garde-Ulanen-Reiterregiments zu einem Manöver in die Eifel. Ob dem schneidigen Offizier, damals Mitte 20, dort wohl der Gaul durchgegangen ist, weiß heute wohl niemand mehr. Sicher ist aber: Irgendwie hat er im Laufe des Manövers kilometerweit vom nächsten Dorf entfernt drei unscheinbare Fachwerkhäuser auf einer Terrasse des 475 Meter hohen Weiselsteins entdeckt. Wald ist zu dieser Zeit dort nicht vorhanden, wie Fotografien aus jenen Tagen zeigen. Vielmehr dominiert die Wacholderheide das Bild. Den munter plätschernden Schalkenbach im kleinen Tal zu Füßen des heutigen Waldguts gibt es indes schon.
Major von der Leyen muss sich wohl in das Gelände verliebt und seine Möglichkeiten erkannt haben. Er kauft auf jeden Fall 1905 das Grundstück Schirmau und lässt es ab 1906 zu einem repräsentativen Gutshof ausbauen. Mit seiner frischgebackenen Ehefrau Emmy, die aus Berlin stammt, zieht er dort im Dezember 1919 ein und beginnt ein Jahr später damit, rundherum einen Wald aufforsten zu lassen. Denn auch ein eigenes Jagdrevier möchte der Herr Baron besitzen.
21 Zimmer für die Gäste –
elf Doppel- und zehn Einzelzimmer
Vor allem viele ältere Krefelder kennen diesen mittlerweile 100 Jahre alten Wald, durch den sich heute sechs markierte Wanderwege schlängeln, ganz genau. Denn seit 1987 dient das Haus als Erholungsheim für Bürger der Stadt, die mehr als 60 Jahre alt sind. Hintergrund: Als Emmy von der Leyen 1977 im Alter von 87 Jahren stirbt, ihr Mann war schon zehn Jahre früher mit 86 Jahren gestorben, vererbt sie das Waldgut der Stadt Krefeld mit der testamentarischen Auflage, dort eine Stätte der Begegnung, Fortbildung und Erholung insbesondere für alte und hilfsbedürftige Krefelder zu betreiben.
„Man kann hier total abschalten“, sagt Dirk Plaßmann, Vorsitzender des Beirats der Verwaltungsgesellschaft Gut Schirmau mbH, zum hohen Erholungswert des Gutshofs. Von Verkehr und Industrie weit und breit keine Spur, vielmehr dominieren beim Blick aus einem der Fenster der 21 Gästezimmer Wald, Wiesen und friedlich grasende Pferde. Hinter dem Haus scharren die Hühner, im Stall werden die Besucher von einer großen Schar Ziegen lautstark mähend begrüßt.
Die elf Doppel- und zehn Einzelzimmer selbst sind freundlich und alle mit eigenem Bad eingerichtet, helles Holz dominiert. Flachbildfernseher sucht man hier aber vergeblich, ein eigenes Telefon ist der größte Kompromiss an den Fortschritt. Statt dessen gibt es zwei Aufenthaltsräume mit Fernseher – das Gemeinschaftserlebnis steht im Vordergrund. Auch eine Bibliothek und ein Speisesaal – hier wohnen die Gäste mit Vollpension – ist vorhanden. Zwei Fotografien von Max und Emmy von der Leyen blicken die Besucher im Eingangsbereich an – und an vielen Wänden hängen Bilder mit Krefelder Motiven.
Dabei weiß die Stadt 1977 das Erbe in der Eifel gar nicht richtig zu schätzen. Seit etwa 20 Jahren ist die Hofanlage zu dieser Zeit nicht mehr bewohnt, das Ehepaar von der Leyen war mit zunehmendem Alter in eine Villa in Bad Godesberg verzogen, ließ sich nur noch regelmäßig das gute Wasser aus der Quelle von Schirmau liefern.
Vom Todesjahr der letzten Schirmau-Besitzerin dauert es bis Mai 1984, ehe dort die Handwerker anrücken. Das Gut ist zu dieser Zeit ziemlich heruntergekommen, das Krefelder Hochbauamt unter Federführung von Architekt Heinrich Maas nimmt es in die Hand, „Krefelds Juwel in der Eifel“ auf Hochglanz zu polieren und den neuen Anforderungen anzupassen. 1987 reisen die ersten Besuchergruppen an.
Von Mai bis Oktober können bis zu 220 Personen in Gruppen von mindestens zwölf Personen in der Ruhe der Eifel eine Auszeit vom Alltag nehmen. Die Zahlen waren zuletzt rückläufig, was Dirk Plaßman ein wenig Sorgen macht. Auch Tagesausflüge werden angeboten.
In den Wintermonaten steht die Anlage Touristen, Firmen und Verwaltungen für Urlaub, Seminare und Tagungen offen. Wie Plaßmann berichtet, studieren auf Schirmau zum Beispiel die „Pappköpp“ ihre Programme ein. „Vor allem an den Wochenenden ist die Auslastung gut“, sagt Plaßmann.
Die Corona-Pandemie hat dies alles zum Erliegen gebracht. Selbst die Gaststätte im ehemaligen Kutschenhaus, die sonst für die zahlreichen Wanderer an den Wochenenden Kaffee, Kuchen, herzhafte Mahlzeiten und kühle Getränke bereit hält, muss geschlossen bleiben. „Wir hoffen, sie Mitte August unter Corona-Bedingungen öffnen zu können“, berichtet Martina Liemersdorf. Gemeinsam mit ihrem Mann, der seit 1984 Gutsverwalter ist, kümmert sie sich am idyllischsten Ort von Krefeld um die Gäste.