Sozialer Arbeitsmarkt in Krefeld OB Meyer beklagt fehlende Hilfen beim Strukturwandel

Krefeld · Eigentlich wollte Frank Meyer am Freitag im Rathaus über die Erfolge auf dem sozialen Arbeitsmarkt in Krefeld sprechen. Aber dann kam die Rede auf die vielen Langzeitarbeitslosen in der Stadt. Und flugs redete sich der Oberbürgermeister ein wenig in Rage.

 Nachdenken über den Arbeitsmarkt: Oberbürgermeister Frank Meyer (links) und Sozialdezernent Markus Schön.

Nachdenken über den Arbeitsmarkt: Oberbürgermeister Frank Meyer (links) und Sozialdezernent Markus Schön.

Foto: Andreas Bischof

„Im Gegensatz zu anderen Städten ist Krefeld nicht mit Geld zugeschüttet worden“, sagte der SPD-Politiker. „Wir mussten und müssen unseren Strukturwandel ohne öffentliche Hilfe schaffen. Das ist in Regionen mit Bergbau und Stahl anders. Für die Textil- und Chemiestädte gibt es kein Geld.“

Tatsächlich spiegeln die Daten vom Arbeitsmarkt wider, dass Krefeld strukturelle Probleme hat. Während die Arbeitslosenquote bundesweit im Juni bei 6,2 Prozent lag, meldete Krefeld 11,6 Prozent. In NRW (Quote: 7,9 Prozent) schneidet Krefeld ähnlich schlecht ab wie die Kommunen im Ruhrgebiet. Hinzu kommen mit knapp 6000 sehr viele Langzeitarbeitslose. Mehr als 40 Prozent der Menschen ohne Beschäftigung sind in Krefeld schon ein Jahr oder länger ohne Job.

3,9 Millionen Euro für geförderte Beschäftigung in Krefeld

Genau dort setzt der soziale Arbeitsmarkt an. Und zwar mit viel Erfolg, wie Thomas Becker vom Jobcenter Krefeld bei dem Termin im Rathaus zu berichten wusste. 130 Betroffene erhielten im vergangenen Jahr eine Chance auf Beschäftigung. In diesem Jahr sind es bisher bereits etwa 120. „Damit liegt Krefeld im Vergleich zu anderen Kommunen in NRW weit vorne“, so Becker. „Es ist entscheidend, den Menschen wieder Mut und Selbstvertrauen zu geben. Coaches helfen ihnen dabei.“

Für die Förderung standen in Krefeld im vergangenen Jahr 1,2 Millionen Euro bereit. 2020 steigt der Betrag auf 3,9 Millionen Euro. Den gesetzlichen Rahmen dazu bildet das Teilhabechancengesetz, mit dem die große Koalition in Berlin seit Anfang 2019 gezielt Langzeitarbeitslose fördert. Unternehmen, die die Betroffenen sozialversicherungspflichtig einstellen, erhalten den Lohn je nach Modell ganz oder teilweise als Zuschuss. Das Projekt läuft zunächst fünf Jahre, also bis 2024.

Zu den Arbeitgebern auf dem sozialen Arbeitsmarkt zählt auch die Stadt Krefeld. Laut Sozialdezernent Markus Schön gibt es derzeit in der Verwaltung 37 geförderte Beschäftigte. „Zum Beispiel in Kitas. Dort übernehmen sie Aufgaben im Bereich der Dokumentation, damit die pädagogischen Fachkräfte sich mehr um die Kinder kümmern können“, sagte Schön. Als weiteres Einsatzgebiet  nannte der Beigeordnete Schulen. Dort helfen die ehemals Arbeitslosen den Hausmeistern. Gefragt seien handwerkliche Fertigkeiten. Oder sie sind als Quartiershelfer unterwegs, um im Dialog mit den Bürgern herauszufinden, wo im öffentlichen Raum etwas schief läuft.

Vor allem ungelernte Kräfte sind von Entlassung bedroht

Bettina Rademacher-Bensing, Chefin der Arbeitsagentur in Krefeld, berichtete, dass Corona bei der Beschäftigung deutlich zu spüren sei. „Kurzarbeit hilft den Unternehmen sehr. Aber damit lässt sich nicht alles abfangen“, sagte sie. Vor allem ungelernte Kräfte ohne Berufsausbildung seien von Entlassung bedroht. Um das zu verhindern, gebe es ebenfalls neue Möglichkeiten der geförderten Qualifizierung. Auf diese Weise könnten die Menschen ihren Job behalten, wenn den Betrieben die Ausfallzeiten durch Schulungen ersetzt werden.

Rademacher-Bensing hält diese Option für sehr wichtig, weil damit das Abrutschen in Hartz IV verhindert werden könne. Insbesondere Aushilfen seien nach ihrer Entlassung und der Phase mit normalem Arbeitslosengeld auf Hilfe zum Lebensunterhalt angewiesen. Es sei lohnend für alle, diese Abwärtsspirale zu durchbrechen.