Kira Walkenhorst in Düsseldorf Die Olympiasiegerin ist zurück im Sand

Vor knapp zwei Wochen stand es auf Facebook. „Player wanted“ – Mitspieler(in) gesucht. So was gibt es ja immer wieder mal. Wer neu ist in einer Stadt, in einem Verein oder einer Firma, der fragt schon mal online nach sportlich Gleichgesinnten, nach Trainings- oder Spielpartnern.

Kira Walkenhorst bei den Olympischen Spiele in Rio De Janeiro.

Foto: picture alliance/dpa/Soeren Stache

Nun kam der Aufruf allerdings von Kira Walkenhorst, die nicht wirklich in der Kategorie Hobbysportlerin zu Hause ist, in ihrer Disziplin, Beachvolleyball, ist sie nicht weniger als die aktuelle Olympiasiegerin.

Eine Partnerin hatte sie zuletzt dennoch nicht, weil sie gar nicht mehr spielte. Anfang 2019 hatte Walkenhorst ihre Karriere beendet. Mit gerade mal 28 Jahren. Ihr Körper konnte einfach nicht mehr. Nun will sie es noch mal wissen, in ihrer neuen Wahlheimat Düsseldorf gibt sie bei der Qualifikation für die Deutschen Meisterschaften am Freitag ihr Comeback. Der erste offizielle Aufritt für die DJK Tusa 06 aus Flehe, die in den vergangenen Jahren immer weitere Stars der Szene angelockt hat. Allen voran Karla Borger und Julia Sude, die aktuellen Deutschen Meisterinnen und sichere Kandidaten für die (verschobenen) Olympischen Spiele 2020. Walkenhorst wäre in Tokio nicht dabei gewesen, und dennoch ist sie nach ihrem Wechsel an den Rhein nun schlagartig eins der Gesichter des Düsseldorfer Sports.

Das liegt an diesen unvergesslichen Wochen in Rio de Janeiro, zwei Jahre nach der Fußballnationalmannschaft siegten auch die Beachvolleyballerinnen in Brasilien – der Höhepunkt aus deutscher Sicht bei Olympia 2016. Plötzlich waren die „Golden Girls“ in aller Munde. Hier die offensive und laute Laura Ludwig, dort die introvertiert und nachdenklich wirkende Kira Walkenhorst. Ein ungleiches Paar, aber eben auch ein Traumduo für Fans und Medien. 2016 und 2017 räumte es nahezu alles ab: diverse Turniersiege auf der Welttour, Deutsche Meisterschaft, EM, WM, Olympia-Gold, zweimal Sportlerinnen des Jahres. Ludwig/Walkenhorst waren zu nationalen Stars geworden, plötzlich berichteten selbst Promi-Magazine und die Regenbodenpresse.

Doch schon damals hatte Kira Walkenhorst gesundheitliche Probleme. Die Jahre im Sand und auf der Welttournee hatten ihren Körper an die Grenze gebracht. Jahrelang galt dieser Rhythmus: Flugzeug, Hotel, Turnier, Flugzeug, Hotel, Turnier, wie bei den Tennisstars. Irgendwann ging es nicht mehr. Sie habe nicht mal mehr eine Tasse aus dem Schrank nehmen können. Die ursprünglich anvisierte Titelverteidigung in Tokio wurde abgesagt, Walkenhorst zog sich zurück und gründete eine Familie, ihre Frau brachte Drillinge zur Welt. Der Sport schien endgültig Geschichte zu sein.

Das änderte sich erst nach dem Besuch bei einem Heilpraktiker. Der habe festgestellt, dass ihre meisten körperlichen Beschwerden mit einer alten Erkrankung zusammenhängen. 2014 war Walkenhorst an Pfeifferschem Drüsenfieber erkrankt, auch Jahre später schwächte sie das, sorgte für Probleme an Gelenken oder Knochen. Also ließ sie sich behandeln und fühlte sich von Woche zu Woche besser. Schnell kam der Gedanke auf, dass sie es ja vielleicht doch noch mal im Sand probieren könnte.

Also begann sie wieder mit dem Training. Doch dann der nächste Rückschlag: die Corona-Pandemie. Für die jungen Eltern war kein geregelter Alltag neben dem Familienleben mehr möglich. „Drei Kinder, alle eineinhalb Jahre alt. Wir üben noch schlafen“, sagte Walkenhorst jüngst im Interview mit dem Videoteam von Sportstadt Düsseldorf und WZ. „Das ist ein ganz anderes Leben als vorher, da war Sport deutlich leichter“, sagt die 29-Jährige, nun sei der „kein Selbstläufer“ mehr.

Das ist er in der Tat nicht. Walkenhorst muss sportlich wieder bei null anfangen. Während die anderen bekannten Namen längst für die Deutschen Meisterschaften Anfang September an der Ostsee qualifiziert sind und am Wochenende auf den Plätzen an der Düsseldorfer Arena ein Showturnier spielen, um Spielpraxis zu erhalten, muss sie bereits am Freitag ran. Dann läuft die dritte Ausgabe des Qualifikationsturniers „Road to Timmendorfer Strand“. Stören kann sie das nicht, Allüren sind ihr ohnehin fremd. Selbst als Olympiasiegerin freut sie sich, überhaupt wieder spielen zu können. Und so bescheiden klangen vor einigen Wochen auch ihre Wünsche: „Normaler Trainingsalltag, zum zweiten, dritten ,Road To Timmendorf‘-Turnier wieder da sein.“ Jetzt ist es so weit. Auch wenn sie weiß, „dass ich natürlich körperlich noch weit von meiner Topform entfernt bin. Daher habe ich auch gar keine Erwartungen an unser erstes gemeinsames Turnier am 31.07. in Düsseldorf.“

Mit uns meint sie nicht etwa ihre alte Partnerin Laura Ludwig, die längst erfolgreich mit Margareta Kozuch spielt. Walkenhorst spielt nun an der Seite von Anna-Lena Grüne, 18 Jahre, aus Hildesheim, „eine der talentiertesten deutschen Nachwuchs-Abwehrspielerinnen“, wie Walkenhorst sagt. Aber selbst, wenn es nichts wird mit der direkten Qualifikation für die Deutschen Meisterschaften, sie freue sich einfach, „endlich wieder im Sand zu stehen und mich komplett schmerzfrei bewegen“ zu können.

Dass sie das in Düsseldorf tut, ist kein Zufall. Zwar lebt sie weiter in Hamburg, aber die Zusammenarbeit lohnt sich für beide Seiten. Das städtische Olympiateam bekommt einen weiteren prominenten Namen, mit dem es werben kann, Walkenhorst erhält finanzielle Unterstützung. Die soll dem Vernehmen nach im Monat nicht mal vierstellig sein, aber immerhin. Zudem trifft sie am Rhein auf andere Kaderathleten. „Düsseldorf hat sich in den letzten Jahren ein sehr gutes Standing in der Beachvolleyball-Szene erarbeitet und muss den Vergleich mit anderen Städten wie Hamburg nicht scheuen“, sagte sie in einer Mitteilung.

Von hier aus soll nun das Comeback gelingen. Und die Ziele sind schon mal ambitioniert. Zumindest die langfristigen. Läuft alles glatt und sie findet wieder zur alten Form, möchte sie 2024 nach Paris. Zu dem Wettbewerb, bei dem sie ihren größten Erfolg feierte, zu den Olympischen Spielen.