Düsseldorfer Athleten im Wartestand Olympische Geduldsspiele
Düsseldorf · Am Wochenende hätten eigentlich die Olympischen Sommerspiele von Tokio begonnen. Doch die wurden wegen der Corona-Pandemie verschoben. Nun ist vieles unsicher.
Das Internationale Olympische Komitee (IOC) gibt dieser Tage wieder ein mindestens sonderbares Bild ab. Am Freitag veröffentlichte das IOC über seinen Twitter-Kanal ein Video, das in schwierigen Zeiten für „Solidarität und Einheit“ werben sollte. Das machen derzeit zahlreiche Verbände, Ligen oder Vereine, man will Fans und Athleten ja auch in Corona-Zeiten irgendwie bei Laune halten.
Das Problem war allerdings: Das Video war aus Szenen von Leni Riefenstahls Propagandafilm über die Nazi-Spiele 1936 in Berlin zusammengeschnitten. Hitlergrüße oder Hakenkreuze ließ das IOC gekonnt weg, zeigte stattdessen den US-Sprinter Jesse Owens oder die olympische Flamme. Heile geeinte Sportwelt also — ausgerechnet mit Propagandabildern der Nazis, die Millionen Menschen umbrachten. Der Aufschrei ließ nicht lange auf sich warten, wenige Tage später löschte das IOC sein Video wieder und gab eine halbgare Erklärung ab, die weit von einer aufrichtigen Bitte um Vergebung oder gar Einsicht entfernt war.
Tage zuvor schauten Beobachter ähnlich irritiert auf den Olympia-Zirkus. Da stand die virtuelle IOC-Vollversammlung an, die zu einer einzigen Jubelarie für den deutschen IOC-Präsidenten Thomas Bach wurde. „Der Spiegel“ schrieb von „Personenkult“ und IOC-Mitgliedern, die „Bach geradezu einen gottgleichen Status zuschrieben“. Aus aller Welt erreichten ihn Huldigungen. Seine Wiederwahl nächstes Frühjahr gilt als sicher. Obwohl er außerhalb der Funktionärswelt differenzierter gesehen wird. Seine Nähe zu Autokraten, sein Umgang mit internen Kritikern, sein langes Beharren auf die Austragung der Sommerspiele in Tokio – all das sorgt für Gegenwind.
Individualsportlern fehlt eine Bühne, um für sich zu werben
Ebene je Sommerspiele hätten am Wochenende begonnen. Doch wegen der Corona-Pandemie wurden sie aufs nächste Jahr verlegt. Ebenso Wettkämpfe wie die Leichtathletik-EM. Was Maximilian Thorwirth alles andere als freut: „Man hat jetzt auch nicht so super viele Jahre im Leistungssport, und dieses Jahr hätte ein gutes werden können“, sagt der Düsseldorfer Langstreckenläufer, der noch weitere Auswirkungen befürchtet. Noch weiß ja niemand, ob 2021 wieder so etwas wie Normalbetrieb in der (Sport-)Welt herrscht. „Auch nächstes Jahr gibt es, wenn überhaupt, nur Olympia. Das ist schon bitter, wenn mitten in deiner Karriere ein oder eventuell zwei Jahre kaum oder keine internationalen Meisterschaften stattfinden, wo man sich beweisen kann“, sagt Thorwirth.
Der 25-Jährige vom SFD 75 ist aber darauf angewiesen, sich Fans, Medien und Sponsoren regelmäßig zu präsentieren. Er gehört zu den vielen tausend Topathleten weltweit, die kaum oder gar nicht von ihrem Sport leben können. Die teilweise sogar Geld investieren müssen für Reisen zu Wettkämpfen oder Trainingslagern. Und die Ausbildung oder Job dennoch für Olympia hintenan stellen.
Das gilt auch für Leonie Menzel, Ruderin vom RC Germania Düsseldorf. Jahrelang war ihr Leben auf den Sommer 2020 ausgerichtet. Sie habe sogar noch Glück, sagt sie im Interview mit der Sportstadt Düsseldorf, sie sei ja jung (21), „es wäre meine erste Chance auf Olympia gewesen“. Ganz spurlos geht die Verschiebung aber auch an ihr nicht vorbei: Ihr unterbrochenes Studium wird nun noch ein Jahr länger dauern. Zudem konnte sich die Europameisterin im Doppelzweier noch gar nicht für Tokio qualifizieren, weil die Wettbewerbe ausfielen.
Gelten die Qualifikationen auch nächstes Jahr?
Andere Düsseldorfer haben ihr Olympia-Ticket bereits in der Tasche, insgesamt zehn, so viele wie lange nicht. Was Stadtdirektor Burkhard Hintzsche für ein „starkes Zeichen“ hält, „dass das Förderkonzept der Sportstadt Düsseldorf funktioniert“. Aber werden alle zehn auch zu Olympia reisen können? Sind sie nächstes Jahr ebenfalls in Form und verletzungsfrei? Und zählt ihre Qualifikation dann noch? Erst hieß es vom IOC, dass alle Sportler, die für 2020 qualifiziert waren, auch 2021 starten dürfen. Doch das letzte Wort haben die nationalen Komitees, die meist den Empfehlungen der Fachverbände folgen. Aber was macht ein Verband, wenn ein 2020 verletzter und formschwacher Sportler 2021 plötzlich besser ist als die qualifizierte Konkurrenz?
Sicher ist also wenig. Auch für Borussias Tischtennissuperstar Timo Boll. Der ist bereits 39, wird er nächstes Jahr immer noch auf Weltniveau spielen können? Wie steht es dann um die derzeit überragenden Para-Tischtennisspieler Thomas Schmidberger und Valentin Baus von der Borussia, die sich für die Paralympics qualifiziert hatten? Wie um die Deutschen Beachvolleyballmeisterinnen Karla Borger und Julia Sude von der DJK Tusa 06? Wie um Johannes Frey vom Judoclub 71 Düsseldorf, Benjamin Kleibrink vom Deutschen Fecht-Club Düsseldorf oder die Hockeynationalspielerinnen Selin Oruz, Elisa Gräve und Nathalie Kubalski vom DHC? All die wären dieses Jahr nach Tokio gefahren. Wie es 2021 aussieht? Kann niemand sagen. Die Sommerspiele der XXXII. Olympiade werden für Düsseldorfs Topathleten zum Geduldsspiel.