Der Sozialismus als Souvenir
Mit der DDR lässt sich Geld verdienen: Ein Foto mit einem Grenzer am Checkpoint Charlie kostet 1,50 Euro.
Berlin. 20 Gramm Berliner Mauer in Bröckchen: 5,40 Euro. Ausreisegenehmigung aus der DDR: ein Euro - mit "Genehmigt"-Stempel drei Euro. Ein Foto zusammen mit einem grimmig dreinblickenden Grenzsoldaten am Checkpoint Charlie: 1,50 Euro. Mit den Überbleibseln der DDR lässt sich bei Berlin-Touristen richtig Geld verdienen. "Wir helfen den Menschen, ein Stück Geschichte zu begreifen", sagt Chemie-Student Christopher Seifert, der dreimal pro Woche in sowjetischer Militäruniform am Checkpoint steht. Opferverbände sehen das nicht so positiv. Aus dem Grenzübergang sei ein "geschmackloser Rummelplatz" geworden, sagt Jens Planer-Friedrich vom SED-Opferverband Bürgerbüro.
Ausgerechnet am Checkpoint Charlie, wo jahrzehntelang verzweifelte DDR-Bürger bei der Flucht ihr Leben riskierten, ist die Repression zu einem Spiel zwischen Touristen und Schauspielern geworden. Ein misstrauischer Blick und eine kritische Passbildkontrolle gehören zum Service, bevor Grenzsoldat Seifert den Touristen den Stempel in den Pass drückt. Rund 200Mal macht er das pro Tag. Vor allem Amerikaner seien stolz auf den DDR-Stempel in ihrem Reisepass. "Die wollen einfach was von der alten Zeit bewahren."
Regelmäßig kommen aber auch erboste Ex-DDR-Bürger, die sich veralbert und verletzt fühlen. "Da heißt es dann, wir sollten uns was schämen", berichtet Seifert. "Aber ich mache ja nur die Touristen glücklich. Wir bewahren die Vergangenheit."
Auf diese Form der Vergangenheits-Bewahrung würden Bürgerrechtler gerne verzichten. Opfer des SED-Regimes seien frustriert, wie verklärt die DDR heute oft dargestellt werde, sagt Opferberater Planer-Friedrich.
Rund um den Checkpoint Charlie verkaufen Händler FDJ-Hemden, russische Pelzmützen und Militärorden. Souvenir-Geschäfte bieten Mauerstücke in allen Größen an. Dazu T-Shirts, Kappen und Kulis mit DDR-Emblem. "Das ist deutsche Geschichte", sagt Geschäfts-Inhaberin Maria Schramm.
Offenbar musste die DDR erst Bankrott gehen, um profitabel zu werden. Selbst in ostdeutschen Supermärkten hat längst wieder ein Stück Sozialismus Einzug gehalten. Spreewaldgurken, Halloren-Kugeln und Mokkafix Gold: "Viele Menschen identifizieren sich mit den Produkten, mit denen sie aufgewachsen sind", sagt Ramona Oteiza, die als Geschäftsführerin die Ostprodukte-Messe Ostpro organisiert.
Historie Von 1945 bis 1990 war Checkpoint Charlie einer der bekanntesten Grenzübergänge Berlins. Viele Menschen kamen dort bei Fluchtversuchen ums Leben. 1961 standen sich sowjetische und US-amerikanische Panzer gefechtsbereit gegenüber.