Deutschkenntnisse: Geheimniskrämerei um Sprachtest für Vierjährige
Im März geht es los, doch Lehrer und Erzieher wurden noch nicht geschult. IN NRW müssen sich erstmals rund 175 000 Mädchen und Jungen einem Test ("Delfin") stellen, bei dem ihre Sprachkenntnisse überprüft werden.
<strong>Düsseldorf. Es wird ernst für alle Vierjährigen in Nordrhein-Westfalen. Im März müssen sich erstmals rund 175 000 Mädchen und Jungen einem Test stellen, bei dem ihre Sprachkenntnisse überprüft werden. NRW ist damit das erste Bundesland, das bereits zwei Jahre vor der Einschulung den Förderbedarf ermittelt und Kinder mit mangelhaftem Deutsch zu Sprachkursen verpflichtet. Doch nach Ansicht von Verbänden und Gewerkschaften gefährdet Geheimniskrämerei den Teststart. "Seitens des Schul- und des Jugendministeriums herrscht Geheimhaltung", wundert sich Gerhard Stranz vom "Forum Förderung von Kindern", einem Bündnis von Eltern, Familien- und Erzieherverbänden in NRW. Bis heute seien die Pädagogen, die das Sprachfeststellungsverfahren ("Delfin") in den Kitas durchführen, nicht geschult worden. "Es wurden lediglich einige Lehrer als Multiplikatoren unterwiesen", so Stranz. Erzieher, die den Lehrern zur Seite stehen, sollen erst kurz vor dem Test Einzelheiten erfahren.
Gewerkschaft befürchtet riesigen Unterrichtsausfall
Dabei ist der Unmut in den Kitas bereits groß genug. "Weil die Tests rechtlich an die Schulpflicht geknüpft sind, bestimmen die Lehrer, wer gefördert wird", sagt Berthold Paschert vom Landesverband der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Ein genaues Bild von den Vierjährigen hätten aber die Erzieher. Barbara Twer, Leiterin der Caritas-Kindertagesstätte in Wülfrath, rät Eltern bereits, "sich schon einmal um einen Rechtsbeistand zu bemühen". Die GEW befürchtet zudem, dass wegen "Delfin" mehr als 100 000 Unterrichts- und Förderstunden im Primärbereich ausfallen werden. "Alles andere ist Augenwischerei", so Paschert. Das Schulministerium will sich mit Verweis auf eine Pressekonferenz erst am Montag zum Vorbereitungsstand von "Delfin" äußern. Der Sprachstandstest DELFINSprachstandstest "Delfin" (Diagnostik, Elternarbeit, Förderung der Sprachkompetenz Vierjähriger in NRW) ist ein zweistufiges Verfahren, das von der Dortmunder Pädagogik-Professorin Lilian Fried entwickelt wurde. In der ersten Runde führen Grundschullehrer ein (Gruppen-)Testspiel in den Kitas durch, um den Sprachstand der Kinder zu ermitteln.
Das Sprachvermögen ist eine der Kernkompetenzen von Kindern bei der Einschulung. Nur wer des Deutschen mächtig ist, kann dem Unterricht folgen und seine Bildungschancen wahren. Deshalb sind die Sprachtests - so ärgerlich und unnötig die Probleme in der Vorbereitung auch sind - längst überfällig. Nicht nur Zuwandererkinder werden davon profitieren. Auch in deutschsprachigen Elternhäusern herrscht bisweilen eine Sprachlosigkeit, die Kinder direkt in eine Hartz-IV-Karriere führt. Da ist jeder Cent in Sprachkurse besser angelegt.